Das neue Album der Berliner Rapper K.I.Z heißt "Görlitzer Park" - es ist ihr mittlerweile siebtes.
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Das neue Album der Berliner Rapper K.I.Z heißt "Görlitzer Park" - es ist ihr mittlerweile siebtes.

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Ein Schlag in die Magengrube: "Görlitzer Park" von K.I.Z

Das Album "Görlitzer Park" von K.I.Z bildet ein Wimmelbild vieler gesellschaftlicher Probleme, über die in Deutschland diskutiert wird. In den 16 Songs legen die Rapper aus Berlin den Finger nicht nur in die Wunde, sie bohren regelrecht darin herum.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Berlin-Kreuzberg: Vogelgezwitscher, Sommergeräusche, eine leiernde Melodie - die Begrüßung im "Görlitzer Park" von K.I.Z fällt durchaus freundlich aus:

"Görlitzer Park, Görlitzer Park /

Im Müll sucht ein alter Mann gerade nach Pfand /

Ein Irrer führt Selbstgespräche im Wahn /

Er schreit jemand an, den nur er sehen kann."

Dunkle Wolke über der Wohlfühlidylle

Aber K.I.Z wären nicht K.I.Z, wenn sie nicht sofort eine dunkle Wolke über die Wohlfühlidylle schieben würden. Da ist der Rentner, der im Müll nach Pfandflaschen stochert. Da ist der Kleindealer aus Westafrika, der im Schlauchboot übers Mittelmeer kam und jetzt im Görlitzer Park Drogen vertickt - an den Partytouristen, der mit dem Billigflieger am Flughafen Berlin gelandet ist, um ein Wochenende in einer schicken Airb'n'B-Wohnung zu verbringen. Wohnungsnot, Altersarmut, Flucht - all das in unter 50 Sekunden.

Ein Sample, das K.I.Z hier eingebaut haben, stammt aus einem Video des Y-Kollektiv, einem jungen, investigativen Reportage-Format der ARD. Der Bericht ist aus dem Jahr 2021 - damals wird der Görlitzer Park wieder mal bekannt als quasi rechtsfreier Raum, als Drogen-Hotspot, als "Angstraum" mitten in Kreuzberg. Anwohnerinnen und Anwohner trauen sich angeblich kaum noch hinein in den "Görli".

"Görlitzer Park, Görlitzer Park /

Auf dem Spielplatz liegen Nadeln im Sand /

Racial Profiling, Schikane vom Staat /

Drogenspürhunde, sie wittern etwas."

Ein Wimmelbild der Probleme und Debatten

Die Rapper Maxim, Tarek und Nico sind allesamt in Berlin aufgewachsen und nutzen den "Görlitzer Park" in ihrem gleichnamigen Song als eine Art Wimmelbild, auf dem viele Probleme und Debatten zu sehen sind, die in Deutschland aktuell diskutiert werden - allzu oft in Schlagworten und Schlagzeilen.

"Samstag ist Krieg" könnte so eine Schlagzeile sein. Der dürre Satz eignet sich hervorragend dafür: kurz, schnörkellos und dennoch effekthascherisch. In dem Song geht es um eskalierende Gewaltspiralen, U-Bahnschubser, Discoschläger - wieder vier solcher Schlagworte. Am Ende des Songs sind zwei Menschen tot und keiner weiß so recht wieso. Das Wimmelbild, das K.I.Z betrachten, ist also definitiv kein schönes. Da sind Songs, wie "Sensibel", auf dem Rapper Tarek, seine Erfahrungen mit Alltagsrassismus mit dem aktuellen Zeitgeist ins Verhältnis setzt.

"Vielleicht hat der Pfleger im Hospiz es nett gemeint /

Als er mein'n Vater duzt und ihn fragt: Verstehst du Deutsch? /

Ich schrei' ihn an, da tut er mir beinah leid /

Dann sagt er: Ach, die Opferrolle, ja, so seid ihr halt"

Es geht um das große Ganze

Das Persönliche mit dem großen Ganzen verknüpfen - das macht vor allem Tarek in seinen Texten gerne. Generell dreht sich auf "Görlitzer Park" viel um jenes große Ganze. Der Song "Frieden" thematisiert beispielsweise den Widersinn des lateinischen Sprichworts "Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor".

"Wir träumen von Frieden, Frieden /

Wir träumen von Frieden /

Lass die weißen Tauben fliegen, wir träumen von Frieden /

Doch erst müssen wir gewinn'n, erst müssen wir gewinn'n /

Na klar sind wir für Frieden, doch erst müssen wir gewinn'n."

Dabei bedienen sich K.I.Z am Ende des Songs eines Tricks aus der Mottenkiste des Pop: Der Kinderchor, der die Hookline singt. Normalerweise eine Sache für pathetische, inhaltsleere EM-Songs von Mark Forster oder Andreas Bourani. "Ein Hoch auf uns – die Welt zu Gast bei Freunden". Bei K.I.Z. dagegen schwenkt die Chorleiterin im dazugehörigen Musikvideo eine strahlend weiße Fahne über den Köpfen des Chors, der selbstverständlich auch komplett in strahlendes Weiß gekleidet ist und barfuß auf einem weißen Panzer steht. Aber dann spritzen plötzlich Blutfontänen aus dem Off, bevor der Song in Schüssen und dem Sound von marschierenden Soldaten endet.

Ein popkulturelles Großereignis

Auf insgesamt 16 Tracks beobachten und thematisieren K.I.Z auf ihrem Album noch so einiges mehr: von grenzenlosem Neoliberalismus und der Lüge vom "Jeder kann es schaffen" bis hin zu toxischer Maskulinität, Misogynie und "Lächel' doch mal"-Sprüchen. Dabei kommentieren sie hier und da auf die für K.I.Z typische, zynische Art, werden aber nie moralisch. Vor allem aber liefern sie keine Lösungsansätze. Als Künstler ist das auch nicht ihre Aufgabe.

K.I.Z legen nicht nur den Finger in die Wunde, sondern bohren regelrecht darin herum. Maxim, Tarek und Nico machen also Gesellschaftskritik - mit deutlichem Fokus auf der Kritik. "Görlitzer Park" ist alles andere als ein Wohlfühlalbum - eher ein Schlag in die Magengrube. In Abwandlung des bekannten Augstein-Zitats könnte man sagen: K.I.Z rappen, was ist und liefern so nicht nur ein Rap-Album, sondern einen vor allem deutlichen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten.

Dass ihr Beitrag gehört wird, ist anzunehmen. Seit Wochen veröffentlicht die Band jeden Tag ein Musikvideo. Jedes der Videos kratzt schnell an den 100.000 Klicks. Wie jedes neue K.I.Z-Album ist also auch "Görlitzer Park" ein popkulturelles Großereignis.

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