Das Fußballtrikot hatte noch in den 90ern nur zwei klare Funktionen: Berufskleidung für Profis und Stadion-Outfit für die Fans. Mittlerweile ist das Fußballtrikot im Fashion-Mainstream angekommen. Ob als TikTok-Trend, Musik-Festival-Look oder als Marketingtool für die Fußballclubs: Trikots tauchen überall auf. Zum Beispiel als virales Phänomen auf Instagram, wie beim "FC Venezia", oder als begehrtes "It-Piece" in der David Beckham-Netflix-Doku.
Über 100 Jahre alt
Wie alt genau das Fußballtrikot ist, lässt sich schwer sagen. In der Ausstellung "Mode et Sport" (externer Link) im Pariser "Musée des Arts décoratifs" ist ein baumwollenes, gelb-schwarz-gestreiftes Trikot des "Wolverhampton Wanderers Football Clubs" von 1908 zu sehen und ein Foto von einem Frauen-Turnier von 1928, bei dem beide Mannschaften schon Trikots trugen.
Trikotwerbung wurde in der Bundesrepublik seit den frühen 70ern eine immer wichtigere Einnahmequelle, aber auch der Verkauf der Sportbekleidung ist für Spitzenclubs in den vergangenen Jahrzehnten zu einer nicht unerheblichen Einnahmequelle geworden.
Musikfestivals als Marketingtool
Für den aktuellen Hype um die Jerseys jedoch sind weder die EM noch der Fußball an sich von zentraler Bedeutung, sondern Musikfestivals und ein neuer Modetrend. Shorts, Anglerhut und ein Fußballtrikot – fertig ist ein typisches Outfit für junge Männer auf Festivals.
Viral ging dieser Trend, genannt "Blokecore" (von "bloke" für Englisch "Kerl", Anm. d. Red.) im Jahr 2019. Damals stand der Rapper Dave auf Platz 1 der britischen Charts und war der Main Act auf dem Glastonbury-Festival. Unter den Fans suchte er sich einen aus, der sein Lied über den Fußballer Thiago Silva auf der Bühne live mitsingen sollte. Und Dave wählte einen, der ein Trikot von PSG, also Paris Saint-Germain, trug. Und Alex, so heißt der Fan, lieferte: Er performte den Song nahezu perfekt.
Dieser Auftritt ging viral. Und war ein Riesenschritt von PSG hin zu einer Streetstyle-Marke. Tatsächlich hat der Fußballverein in London schon einen eigenen Trikot-Shop, nicht weit weg von Marken wie "Gucci" und "Stone Island".
Millionenverkäufe ohne Fanbindung
PSG ist immerhin ein prominenter Fußballverein, der viele bekannte Spieler in seinem Kader hat. Aber nicht einmal das braucht es mehr, um viele Jerseys zu verkaufen. Am ersten, fast rein viralen Trikot, ist ein Münchner Designer maßgeblich beteiligt: Mirko Borsche.
2021 bekam Borsche den Auftrag, für den FC Venezia Jerseys zu designen – der war damals gerade von der zweiten in die erste italienische Liga aufgestiegen. Zurückhaltend und klassisch wollten sie die Trikots gestalten – mit geschlechtsneutralem Look und Schnitt. Kurz: ein Design für alle. Entscheidender für den Erfolg war die unkonventionelle Marketingstrategie. Nicht die Fußballer, sondern "normale" Venezianer waren Werbeträger.
"Die meisten Leute sind dann doch keine Fußballprofis und haben keine tipptopp Figur", so Borsche. "Also dachten wir, es wäre besser, Leute in einem guten Styling in diese Jerseys zu stecken, um zu zeigen, wie es dann am Ende auf der Straße aussehen wird. Und ich würde schon behaupten, dass wir die ersten waren, die das gemacht haben." Der Erfolg war eine Überraschung für den relativ kleinen Verein: "Ich glaube am Ende waren es knapp drei Millionen, die sie an Umsatz gemacht haben, nur mit dem Home Jersey. Und davon haben sie knapp 97 Prozent ins Ausland verkauft."
Luxus-Marken-Trikots oder Vintage
Das heißt, es waren nicht die heimischen Fans, die unbedingt dieses klassisch-dezente Trikot ohne Werbeaufdruck haben wollten, sondern Menschen weltweit. Ein Trend, der sich mehr und mehr durchsetzt. Fußballtrikots haben immer weniger mit der Verbindung zu einem Club zu tun. Das galt eher am Anfang, etwa bei Mel C von den Spice Girls, die ein bekennender Liverpool-Fan ist.
Begehrt sind heute Vintage-Exemplare oder Sondereditionen, wie etwa das von PSG mit dem Luxuskonzern Louis Vuitton. Oder rare Fundstücke – so wurde etwa der Erfolgsrapper Travis Scott mit einem Trikot der Jugendmannschaft von Borussia Mönchengladbach (externer Link) fotografiert. Oder Kim Kardashian mit einem AS-Roma-Jersey (externer Link) aus der Saison 1997/98. Ob sie Fans der Mannschaften sind? Eher unwahrscheinlich. Für sie – wie für Millionen andere – sind die Trikots einfach ein Teil der Alltagskleidung geworden, so wie Jeans oder ein weißes T-Shirt.
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