In einer Ecke des Ausstellungsraums ist ein großes Foto aufgespannt. Es zeigt eine kleine Kapelle mit spitzem Turm, dahinter einen Wald. Eigentlich ein typisches bayerisches Postkartenmotiv, wäre da nicht noch etwas anderes zu sehen: Baucontainer, Gerüste, große Betonpfeiler. Das Foto zeigt den Bau der sogenannten Isental-Autobahn. Ein umstrittenes Großprojekt, über das jahrelang erbittert gestritten wurde. Davon zeugt auch ein meterlanges Regal mit Dutzenden Aktenordnern. Sie enthalten die Gerichtsakten zum Projekt, in denen die Besucher der Ausstellung "Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945 – 2020" im Regensburger Haus der Bayerischen Geschichte aktiv stöbern können.
Auf große Pläne folgt oft großer Protest
Rund ein Dutzend Großprojekte von der Nachkriegszeit bis in die jüngere Vergangenheit thematisiert die Ausstellung. Was schnell klar wird: Großprojekte sorgen fast immer für Streit. Beim Münchner Flughafen ist beispielsweise ein Demonstrant in Lederhose zu sehen, der in München noch mit seinem Jagdgewehr gegen einen möglichen Standort protestieren konnte. Beim Main-Donau-Kanal wird eine Dokumentation des Bayerischen Rundfunks gezeigt, in der Luftaufnahmen die Naturzerstörungen beim Bau der Wasserstraße deutlich machen.
Sorge um ursprüngliches Bayern
Überhaupt ist die Sorge um Natur und Landschaft häufig ein Argument der Gegner von Großprojekten. Doch selbst beim wohl größten bayerischen Naturschutzprojekt, dem Nationalpark Bayerischer Wald, war der Widerstand lange enorm, wie Aufnahmen und Redebeiträge von Protestveranstaltungen zeigen. Auf der anderen Seite sollen die Großprojekte Fortschritt und Wohlstand bringen. Wie beispielsweise die Ansiedlung von Firmen und der Universität in der "Boomtown" Regensburg, wie es in der Ausstellung heißt.
Akzeptanz wird geringer
Der Blick auf Großprojekte hat sich deshalb auch mit der Zeit gewandelt. "Direkt nach dem Krieg war natürlich einfach der Wille da, dass es einem selber und seiner Familie besser geht. Das war schon sehr ausgeprägt und da hat man vieles in Kauf genommen", sagt der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Richard Loibl. "Mit der Zeit kommt aber das Bewusstsein, dass man sagt: Das ist jetzt aber bald nicht mehr das Bayern, das wir kennen. Da geht es dann los, dass man solche Projekte nicht mehr widerstandslos umsetzen kann."
Bevölkerung besser einbinden
Die Ausstellung soll die Großprojekte aus wissenschaftlicher Perspektive betrachten. Mit Wertungen halten sich die Ausstellungsmacher, die viel auf Videos und interaktive Elemente setzen, aber zurück. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich selbst ein Bild machen, was überwiegt: Fortschrittshoffnung oder Sorge um die Natur. Für die Planung künftiger Großprojekte hat Ausstellungsleiter Andreas Kuhn aber dann doch einen gut gemeinten Rat: Großprojekte würden von der Bevölkerung nur akzeptiert, wenn sich Bürgerinnen und Bürger ehrlich mitgenommen fühlen. "Es gibt da so ein schönes Zitat von einem Forscher, der schreibt: Wenn man die Bevölkerung nur darüber entscheiden lässt, ob das Atomkraftwerk mit Efeu oder mit wildem Wein bewachsen sein soll, dann muss man sich nicht wundern, wenn am Ende die Akzeptanz nicht da ist", sagt Kuhn. Es gehe immer darum, die Betroffenen so früh wie möglich einzubinden.
Die Ausstellung "Ois anders" ist bis zum 22. Dezember im Regensburger Haus der Bayerischen Geschichte zu sehen.
Im Video: Ausstellung zu Großprojekten in Bayern
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!