Die neue Vorgaben sind unmissverständlich: "Die Hochschulen sollen mit Einrichtungen der Bundeswehr zusammenarbeiten. Sie haben mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn [...] dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist." So steht es im Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Förderung der Bundeswehr in Bayern.
Auch Bund und Nato sollen Forschungsergebnisse nutzen
Es soll also ein Kooperationsgebot geben: Universitäten und Hochschulen müssen das Militär unterstützen, wenn das Wissenschaftsministerium das auf Antrag der Bundeswehr für notwendig erachtet. Forschungsergebnisse dürfen demnach auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden.
Und noch ein neuer Satz steht in dem Entwurf: "Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig." Zivilklauseln sind hochschulinterne Selbstverpflichtungen, nur für friedliche und zivile Zwecke zu forschen. Kooperationen mit Rüstungsunternehmen oder Armeen sind beispielsweise ausgeschlossen. Solche selbst auferlegten "Zivilklauseln" will die Staatsregierung nun verbieten.
CSU-Wissenschaftsminister: "Wir brauchen unsere Hochschulen"
Laut Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) hat aktuell zwar keine bayerische Hochschule eine solche Klausel: "Wir wollen aber auch deutlich machen: Das soll und das wird auch in Zukunft so bleiben", sagt Blume zu BR24. Das Gesetz sei ein Signal, "dass unsere Hochschulen ganz selbstverständlich auch mit der Bundeswehr zusammenarbeiten können".
Es gehe um Innovationen, so der Minister. "Wir müssen mehr für unsere Sicherheit tun, und dazu brauchen wir unsere Hochschulen." Militärische Stärke habe auch mit technologischer Stärke zu tun: "Viele Fragen bis hin zur Energieversorgung von morgen sind heute auch Fragen der künftigen Sicherheit." Seine Landtagsfraktion springt Blume zur Seite: "Wir müssen bei der militärischen Forschung dem Rest der Welt ein Stück weit voraus sein", sagt Wolfgang Fackler, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wehrpolitik der CSU-Fraktion. Mit Blick zum Beispiel auf Cyberangriffe und Künstliche Intelligenz gebe es viele Themenfelder, wo sich Wissenschaft einbringen könne.
Grüne fürchten Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit
Das sehen die Grünen im bayerischen Landtag ähnlich. Angesichts der Weltlage sei es richtig, in die eigene Verteidigungsbereitschaft zu investieren und auch Sicherheits- und Rüstungsforschung vermehrt zu unterstützen, sagt Verena Osgyan, Sprecherin für Wissenschaft und Hochschulpolitik. Aber: "Universitäten und Hochschulen, die sich selbst, und aus gründlicher Überlegung heraus, eine Zivilklausel geben wollen, müssen das auch weiterhin tun dürfen."
Ihre Fraktion halte grundsätzlich nichts davon, Hochschulen zu Kooperationen zu zwingen. "Das widerspricht unserem Verständnis von Wissenschaftsfreiheit diametral", so die Grünen-Abgeordnete. Sie bezweifelt, dass das Gesetz in dieser Form verfassungskonform ist. Viel zielführender wäre es laut Osgyan, "Förderprogramme so auszurichten, dass Zusammenarbeit einfacher möglich ist und Forschungsergebnisse frei verfügbar sind".
Hochschulverband: Einzelne Forscher können keine Weisung erhalten
Der Deutsche Hochschulverband sieht mit der geplanten Kooperationspflicht zwar den "Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit" tangiert – allerdings gewähre dieser keine völlige Autonomie. Andere verfassungsrechtliche Grundentscheidungen können zu einer Einschränkung führen. "Hierzu zählt auch der Verteidigungsauftrag durch eine wirksame militärische Landesverteidigung", schrieb Hubert Detmer, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern, in einer Stellungnahme Anfang März.
Zudem seien in dem Gesetzentwurf nicht die Forscher Adressaten des Kooperationsgebots, sondern die Hochschulen als Institution. Das schaffe den notwendigen Ausgleich: "Eine mit Disziplinargewalt ausgestattete Weisung kann der einzelnen Wissenschaftlerin/dem einzelnen Wissenschaftler nicht erteilt werden", so Detmer. Über die Frage, ob Forschungsergebnisse überhaupt publiziert werden, entscheide der Wissenschaftler am Ende ganz autonom.
Auch eine Bundesministerin stellt sich gegen "Zivilklauseln"
Die sogenannten "Zivilklauseln" seien "hochschulpolitisch seit langer Zeit umstritten". Laut Detmer steht die "Pflicht der Hochschulen, einen Beitrag zur friedlichen Forschung zu leisten", nicht in Widerspruch dazu, wissenschaftliche Erkenntnisse auch zu militärischen Zwecken zu nutzen: "Da auch die Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Wahrung von Frieden dient". Durch das Grundgesetz sei lediglich Forschung verboten, die auf einen Angriffskrieg gerichtet wäre. "Im Ergebnis bestehen keine Bedenken gegen die intendierten Neuerungen", resümiert der Vertreter des Hochschulverbands.
Stimmen gegen "Zivilklauseln" gibt es auch aus der Bundesregierung: "Manche Hochschulen haben sich eine Zivilklausel gegeben, die militärische Forschung verhindern soll", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Mitte März den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Das wird unseren nationalen Sicherheitsinteressen und dem Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gerecht."
Am Mittwochnachmittag debattiert der bayerische Landtag in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Staatsregierung.
- Zum Artikel: "Personalnot: Braucht Deutschland wieder eine Wehrpflicht?"
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