Die Tafelhalle in Nürnberg war am Samstagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Auf der Bühne tummelte sich die deutsche Kabarett-Elite. Schon beim Soundcheck wurde deutlich, dass die Preisträger stimmlich punkten können und Sachverhalte pointiert darstellen. So sang Luise Kinseher unter anderem eine Abwandlung von Mozarts "Königin der Nacht". Thematisch ging es an diesem Abend querbeet durch die aktuellen gesellschaftlichen Debatten: von der Digitalisierung bis hin zur Informations-Faulheit.
Kinseher: "Dieser Preis hat noch gefehlt"
Die bayerische Kabarettistin Luise Kinseher freute sich besonders über die Auszeichnung. Sie gewann den Hauptpreis, der mit 6.000 Euro dotiert ist. Es gebe ein paar wichtige Preise, von denen sie schon einige bekommen habe. Der Deutsche Kabarettpreis habe aber bisher noch gefehlt.
Die Jury lobte Kinseher als Bühnenpersönlichkeit mit vielen Gesichtern sei. Sie entdecke in allen Begebenheiten des Lebens den komischen Moment, aus dem Mut geschöpft werde.
Kinseher war unter anderem von 2011 bis 2018 als erste Fastenpredigerin überhaupt auf dem Nockherberg in München in ihrer Rolle als "Mama Bavaria" zu sehen. Aktuell tourt sie unter anderem mit ihrem Programm "Wände streichen. Segel setzen" durch Deutschland. Regelmäßig ist sie auch auf Bayern 1 als Kioskbesitzerin Renate Lallinger zu hören.
Raus aus der Komfortzone
Für Kinseher ist klar: Unsere Debattenkultur ist verdorben. Es gehe in Diskussionen oft nur darum, recht zu haben. Bei ihrem Auftritt in der Tafelhalle verwendete sie für die aktuelle Lage der Menschheit eine Bandwurm-Metapher. Der Wurm habe im Laufe der Evolution sein Gehirn verloren, weil es nicht mehr benötigt wurde. Bequemlichkeit sei etwas sehr Menschliches und auch verständlich: "Ich befürchte, dass es Situationen geben wird, hoffentlich nicht in naher Zukunft, bei denen wir raus müssen aus dieser Zone." Sie spielte damit unter anderem auf die Folgen des Klimawandels an.
Laut Kinseher ist Kabarett derzeit wichtiger denn je. Sie wolle mit ihrem Programm nicht spalten, sondern verbinden, und die Menschen mit ihren Ideen und Gedanken anregen.
Kein Netflix-Abend kann das schaffen
Auch Eva Eiselt, die den mit 2.000 Euro dotierten Sonderpreis erhielt, sieht Kabarett in einer wichtigen Funktion, gerade nach der Corona-Pandemie. Menschen würden bei einem Live-Abend zusammen kommen. Das könne kein Netflix-Abend ersetzen. Mal zu lachen und mit Humor Abstand von den aktuellen Geschehnissen zu schaffen, sei aktuell besonders wichtig. In ihrem Programm "Wenn Schubladen denken könnten" widmet sie sich Klischees der Generation der "Babyboomer" und der "Gen Z". Beide hätten ihr "Schubladendenken" und wüssten sonst nicht viel voneinander. Eiselt will diese Schubladen öffnen. Denn: Wer in seiner Schublade bleibt, habe schnell ein Brett vor dem Kopf.
Negative Folgen der Digitalisierung zu wenig im Fokus
Ausgezeichnet wurde auch Philipp Scharrenberg aus Bonn. Er bekam den "Programmpreis" des Deutschen Kabarettpreises, der mit 4.000 Euro dotiert ist. In seinem Programm "Verwirren ist menschlich" widmet er sich unter anderem den Folgen der Digitalisierung und von Social Media. Es gebe noch zu wenig Aufmerksamkeit für die Langzeitfolgen des dauernden Konsums von solchen Medien auf die Gesellschaft, meint Scharrenberg. Die Effekte seien schon jetzt zu sehen, zum Beispiel durch die Grundstimmung, die aggressiver werde und die fehlende Akzeptanz, auch mal andere Meinungen zuzulassen: "Es liegt ja in den seltensten Fällen an der Technik selbst, sondern es geht darum, wie gehe ich damit um. Es sind immer die Menschen, die den Mist machen mit der Technik."
Preisträger in bester Gesellschaft
Durch den Galaabend in der Tafelhalle in Nürnberg führte das Moderatoren-Duo Ulan und Bator, die den Deutschen Kabarettpreis im vergangenen Jahr gewonnen hatten. Der Preis wurde seit 1991 durchgehend – mit Ausnahme von 2020 – jährlich vergeben. Heuer war es die 32. Preisverleihung des Nürnberger Burgtheaters. Die Preisgelder stiftet die Stadt Nürnberg. Gewonnen haben den Hauptpreis unter anderem schon Max Uthoff, Simone Solga, Jochen Malmsheimer oder Josef Hader.
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