"Der Junge und der Reiher" Anime-Figur mit Reiher
Bildrechte: Studio Ghibli

"Der Junge und der Reiher" Anime-Figur mit Reiher

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Hayao Miyazakis neuer Anime-Film "Der Junge und der Reiher"

Die japanische Legende des Zeichentrickfilms, Hayao Miyazaki, erzählt in "Der Junge und der Reiher" von einem Jungen, der in einer fantastischen Welt nach den Spuren seiner toten Mutter sucht. Der Anime ist zweifach für Golden Globes nominiert.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Hayao Miyazaki ist eine Legende des Zeichentrickfilms. Jetzt hat er mit fast 83 Jahren einen neuen Film veröffentlicht: "Der Junge und der Reiher". In Japan ein großer Erfolg, denn dort sind er und das von ihm gegründete Studio Ghibli eine nationale Institution. Doch kann der Film mit "Prinzessin Mononoke" und "Chihiros Reise ins Zauberland" mithalten?

Autografischer Anime

Es beginnt mit einem Luftangriff auf Tokio. Der elfjährige Schüler Maichto rennt durch ein chaotisches, beängstigendes Inferno. Was er dann sieht, verfolgt ihn durch den ganzen Film: das Krankenhaus, in dem seine Mutter liegt, brennt lichterloh.

Tod und Verwüstung durch Luftangriffe ist ein wiederkehrendes Motiv in den Filmen von Hayao Miyazaki. Allerdings nie so drastisch geschildert, nie verbunden mit dem Tod der Mutter. Miyazaki ist 1941 in Tokio geboren, war also viel jünger während des Krieges als seine Hauptfigur. Und Miyazakis Mutter ist nicht im Krieg gestorben. Trotzdem wird "Der Junge und der Reiher" als autografisch verstanden. Wie im Film war sein Vater Flugzeugunternehmer und hier wie dort floh die Familie vor den Luftangriffen aufs Land.

Erfolg in Japan

Miyazaki gibt kaum Interviews und äußerst sich auch nicht zu seinen Filmen. Das mag ein Grund für den Erfolg von "Der Junge und der Reiher" in Japan gewesen sein. Dort ist Miyazaki und das von ihm mitgegründete Studio Ghibli eine Institution. Und viele hatten wohl gehofft, dass Miyazaki etwas über sich preisgeben würde. Doch "Der Junge und der Reiher" ist insofern typisch für den japanischen Großregisseur, als es zwar Anklänge an die Biografie aufweist, aber eben auch nicht mehr. Außerdem gehen wie in fast allen seiner Filme fantastische und realistische Momente nahtlos ineinander über. Mahito wird durch einen sprechenden Reiher in ein Zwischenreich gelockt. Dessen Versprechen: dort die Mutter wiederzusehen. Wer sich in Ghibli-Filmen auskennt, begegnet vertrauten Figuren und Motiven: Schleimwesen, die andere Körper annehmen können, resoluten, erst einmal raubeinigen Frauen oder Wesen, die ihre Macht dem Feuer verdanken.

Gezeichnete neue Welten

Vieles davon ist gezeichnet, nicht computer-animiert. Und zwar großartig. Das Studio Ghibli zeigt noch einmal, welche Schönheit darin steckt, wenn Menschen neue Welten am Zeichentisch entwickeln. Dieser Film ist so detailliert und sorgfältig wie schon lange kein Ghibli-Film mehr. Es ist, als ob das gesamte Team noch einmal alle Kräfte mobilisiert hat, um zu zeigen, was an weltschöpferischer Magie in Handzeichnungen steckt.

Und die Geschichte? Die ist leider schwach. Es wirkt, als würde Miyazaki sich ständig selbst zitieren, ohne wirklich zu wissen, was er erzählen will. Zugegeben, das Hinreißende an seinen Filmen war immer das Offene. Figuren, die mal gut, mal böse erscheinen, eine Welt, in der Menschen und Geister nebeneinander leben, Filmschlüsse, die die Geschichten eher offen ließen, als sie abzuschließen.

Aber bei "Der Junge und der Reiher" fügen sich die Elemente nicht mehr zusammen. Miyazaki überrascht uns nicht, er zitiert sich. Und zerstört selbst die Offenheit. Gegen Ende begegnet Mahito tatsächlich seiner Mutter. Die ist noch ein junges Mädchen, weiß aber, dass er ihr Sohn sein und sie verbrennen wird. Ihr Kommentar dazu: Das bisschen Feuer wiege doch nicht das Glück auf, ein so wunderbares Kind zu gebären. So harmlos, so brachial einen komplexen Film auf eine Verkitschung des Mutterseins herunterzubrechen – so etwas gab es nie in den Ghibli-Filmen. "Der Junge und der Reiher" ist leider ein zwar schön gezeichneter, aber banaler Film.

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