"Barfuss" von 2005 hält er für sein bestes Werk – und er ist der Meinung, kein Komödienregisseur zu sein. Er mache Filme über Krankheitsbilder, sagt Til Schweiger in einem soeben veröffentlichten Podcast, den er zusammen mit seinem Therapeuten, Professor Florian Holsboer, bestreitet, einem weltweit renommierten Neurowissenschaftler.
In "Alles nur im Kopf" erzählt Schweiger eine gute Stunde lang über Stress am Set, seine Alkoholprobleme, über Kreativität und seinen inneren Antrieb: "Ich bin Perfektionist – und habe mich schon immer gefragt: Warum sehen so viele Filme so scheiße aus? Was spricht dagegen, wenn Du bei einem Film – ist ja kein Hörspiel! – auch tolle Bilder schaffst?"
Traumata, Alzheimer, Krebs
Zurück zu den Krankheitsbildern – Til Schweigers Einschätzung ist gar nicht so falsch: "Barfuss" etwa ist ein Film über eine junge Patientin mit posttraumatischer Belastungsstörung in einer psychiatrischen Klinik.
"Honig im Kopf", sein mit siebeneinhalb Millionen Zuschauern erfolgreichster Film, erzählt die Geschichte eines Mannes, der zunehmend unter Alzheimer leidet. Dieter Hallervorden spielte ihn.
Und das aktuelle Werk "Das Beste kommt noch!", seit rund zwei Wochen in den Kinos, handelt als Verwechslungs-Tragikomödie von zwei Freunden: Einer der beiden ist todkrank.
Die Lebensbeichte
Nach der "Spiegel"-Veröffentlichung im Mai dieses Jahres über Machtmissbrauch und Betrunkenheit auf dem Set für den Film "Manta Manta – Zwoter Teil" zog sich Til Schweiger für eine längere Zeit aus der Öffentlichkeit zurück.
Ende Oktober dann gab er dem Stern ein Interview, das als große Lebensbeichte verkauft wurde. Alles ein bisschen aufgebauscht. Schweigers Selbstauskünfte an der Seite seines Therapeuten wirken da authentischer: "Ich habe, ehrlich gesagt, die Spiegel-Geschichte unterschätzt. Auch meine Medienanwältin hat sie unterschätzt. Sie sagte: 'Herr Schweiger, das ist so unter dem selbst erklärten Niveau des Spiegels, das ist ja nur Hörensagen.' Tatsächlich waren alle Zeugen anonym – und der Artikel bestand eben auch aus ganz vielen Lügen."
Der Tag mit einer Menge Restalkohol im Blut
Ganz unrecht hat Til Schweiger da nicht. Die Münchner Produktionsfirma Constantin, die für die Dreharbeiten von "Manta Manta – Zwoter Teil" mitverantwortlich war, beauftragte eine unabhängige Anwaltskanzlei, um die Vorwürfe gegen den erfolgreichsten deutschen Filmemacher der letzten 30 Jahre zu untersuchen.
Demnach hatte die große Mehrheit der Befragten kein "generelles Klima der Angst" (wie der Spiegel schrieb) bei den Dreharbeiten verspürt. Sein Alkoholkonsum und das daraus resultierende aggressive Verhalten Schweigers ist hingegen ein Fakt, um das der Filmemacher nicht herumredet: "Ich wusste seit Jahren schon, dass ich zuviel Alkohol trinke. Aber, ich bin noch nie besoffen ans Set gegangen, außer an diesem einen Tag, und das war noch der Restalkohol von der Nacht. Das war unprofessionell und dämlich." Außerdem gibt er zu: "In den letzten Jahren habe ich zu oft die Kontrolle verloren – und die möchte ich wieder haben. Ich möchte die Kontrolle über den Alkohol, und daran arbeiten wir."
Vom Sprecher für Pornos zum Schauspieler und Regisseur
Am heutigen Dienstag feiert der Selfmademan, der sich mit der Arbeit ungemein unter Druck setzt, seinen 60. Geburtstag.
Seine Karriere, die als Synchronsprecher für Pornofilme begann und einen ersten Höhepunkt von 1990 bis 1992 mit der Rolle des Jo Zenker in der ARD-Fernsehserie "Lindenstraße" erreichte, ist beeindruckend.
Für Schweiger, den Familienmenschen, dessen Kinder auch immer wieder in seinen Filmen mitspielten, war das Jahr 2023 eine heftige Zäsur. Er selbst bezeichnet sich als "ängstlichen Menschen".
Aus Interviews mit ihm sind auch immer wieder Selbstzweifel und seelische Verletzungen herauszuhören. Gerne würde er von der seriösen Branche anerkannt und nicht nur als Proll-Regisseur abgetan werden.
Ein Händchen für erfolgreiche Stoffe
Dass Til Schweiger einen bewundernswerten Instinkt für den Geschmack seines Publikums hat, ist unbestritten. Nun, mit Beginn seines 61. Lebensjahres, sollte Schweiger die Chance bekommen, sich zu verändern. Vielleicht gelingt es ihm, vielleicht nicht.
Vielleicht wird er als jemand, der sich für seine Stoffe immer von seinem unmittelbaren Umfeld inspirieren lässt, eines Tages sogar einen Film über seine eigene Suchtkrankheit drehen – den Alkoholismus. Man kann Zweifel haben, ob er wieder die Kontrolle gewinnt über seinen Konsum - auch, weil er die Gefährlichkeit des Alkohols gerne bagatellisiert und relativiert.
Andererseits: Warum nicht? Mit einem anderen Vorsatz hat er gebrochen: Er wollte nie einen Nazi spielen. Jetzt spielt er einen im neuen Guy-Ritchie-Thriller "The Ministry of Ungentlemanly Warfare", zum ersten Mal, "obwohl ich geschworen hatte, das nie zu tun".
In seinen Filmen inszeniert Schweiger gerne versöhnliche, hoffnungsvolle Enden. Mal sehen, ob ihm das für sein Leben auch gelingt.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.