Gott bei der Eheschließung mit ins Boot holen? Das machen immer weniger Menschen. 2022 haben sich in ganz Bayern von 65.057 Paaren nur 15.258 kirchlich trauen lassen – das sind ungefähr 22 Prozent weniger als noch 2015. Natürlich wirkt in diesem Kontext Corona nach. Aber grundsätzlich könnten es die steigenden Kirchenaustrittszahlen sein, die einen Trend markieren: Kirchliche Hochzeiten sind – zumindest derzeit – nicht mehr "in".
Immer mehr Menschen reicht das Ja-Wort vor dem Standesamt
"Kirche verbindet man mit weißem Kleid und Trallala und Marsch und Musik, das ist nicht unser Ding, das brauchen wir nicht", so eine Meinung in der Münchner Innenstadt. Vielen reicht das Ja-Wort vor dem Standesamt.
Diana und Roland sehen das anders. Das Paar heiratet in ein paar Monaten – und steckt gerade mitten in den Hochzeitsvorbereitungen: Einladungen gestalten, Unterkünfte für die Gäste organisieren, die eigene "Hochzeits-Website" einrichten und natürlich: die kirchliche Trauung planen. Der Segen vor Gott ist ein Zeichen, auf das Roland und Diana nicht verzichten wollen: "Weil es ein langfristiges, übergeordnetes, nicht nur ein weltliches Versprechen ist."
Ein verbindliches Versprechen vor Gott
Ein verbindliches Versprechen vor Gott, ein christliches Fundament für die Familiengründung: Das ist beiden wichtig in ihrer Ehe. Trotzdem fühlt sich Diana der Kirche etwas mehr verbunden. Roland hätte die kirchliche Hochzeit nicht so vorangetrieben. Er mache das "im Wesentlichen ihr zuliebe", sagt er. "Ich finde die Kirche als Kulturgut natürlich sehr wichtig. Aber eher aus Tradition, vielleicht nicht zu sehr aus Glaubensgründen."
Damit ist Roland nicht allein. Der christliche Glaube ist immer seltener ein Grund für Paare, sich kirchlich trauen zu lassen. Im Jahr 2000 waren es in der katholischen Kirche bundesweit 64.383 Hochzeitspaare, laut der neuesten Zahlen von 2022 nur noch 35.467. In den evangelischen Landeskirchen in Deutschland war der Schwund noch rasanter: Da traten 2000 noch 69.645 Paare vor den Traualtar, 2022 waren es 17.869.
Kirche taucht in der Lebenswelt der Menschen nicht mehr auf
Diesen Rückgang bei den kirchlichen Trauungen beobachtet auch Doris Wild. Sie ist Pfarrerin und arbeitet bei der "Segen.Servicestelle" der evangelischen Landeskirche in München. Viele Leute hätten gerade Schwierigkeiten sowohl mit der evangelischen als auch der katholischen Kirche, sagt sie. Die Kirche könne aber auch oft "ihre Relevanz nicht mehr zeigen" und tauche somit in der Lebenswelt der Menschen nicht mehr auf. Die Menschen hätten dann keinen Bezug zur Kirche mehr.
Da ist es dann eher wie bei Roland die Tradition, die den Ausschlag gibt, oder auch die Familie. "Viele entschuldigen sich dann fast, dass sie nicht regelmäßig im Gottesdienst sind", sagt Doris Wild und betont, das dies nicht nötig sei: "Wichtig ist, dass sie an diesem besonderen Übergangsmoment merken, da braucht es ein bisschen mehr als nur gute Planung oder gute Freunde und Familie."
Viel Klärungsbedarf: 30 bis 40 E-Mails pro Brautpaar
Aus christlicher Sicht ist das vor allem eins: Gott, der Dritte im Ehebund. Und obwohl der im Alltag vieler Menschen gar nicht so verankert ist, kommt dann anlässlich der Hochzeit doch ein spirituelles Bedürfnis auf. Die Schwellen seien jedoch oft zu hoch oder "das Wissen zu gering, was alles möglich ist", weiß Doris Wild.
Die Pfarrerin führt deswegen vor der Trauung lange Gespräche mit jedem Brautpaar. Bis zu 40 E-Mails gehen manchmal hin und her, um alle Fragen zu klären. Dabei lernt die Pfarrerin das Paar kennen. Für Diana und Roland ist auch das ein wichtiger Unterschied zur standesamtlichen Hochzeit: "Wir erhoffen uns mehr Persönliches bei der kirchlichen Trauung. Und deswegen unser Wunsch, auch kirchlich zu heiraten."
Aktionstag "Einfach heiraten" am nächsten Mittwoch
Für alle, die sich spontan für eine kirchliche Trauung entscheiden, bietet die evangelische Landeskirche am nächsten Mittwoch den Aktionstag "Einfach heiraten" an. Ohne vorherige Anmeldung kann man in vielen Gemeinden in ganz Bayern vor den Altar treten. Selbst am Flughafen ist ein Pfarrer vor Ort. Stressfrei und unkompliziert.
Das Angebot der evangelischen "Segen.Servicestelle" will Kurz- und Unentschlossenen die Möglichkeit bieten, sich ohne großen Aufwand den kirchlichen Segen für ihre Ehe zu holen. Um Blumenschmuck, Musik und Sekt kümmert sich die Kirchengemeinde.
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