Szene aus dem Theaterstück "Mia san Mia" an den Münchner Kammerspielen
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Kammerspiele starten mit "Mia san Mia" in die neue Spielzeit

Kammerspiele starten mit "Mia san Mia" in die neue Spielzeit

Nach und nach starten die städtischen und staatlichen Theater in den Spielbetrieb. Gestern zum Beispiel die Münchner Kammerspiele mit der Uraufführungs-Premiere von "Mia san Mia". Die gerät allerdings ziemlich öde.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Die Wesen, die auf diesem Planeten leben, tragen hauteng anliegende, knallgelbe Hosen und Oberteile, darüber Lederhosen und Dirndl, und sehen daher ein wenig so aus, als hätte man die Simpsons aus der gleichnamigen Zeichentrickserie in Trachten gesteckt – zumal auch ihr Haar ähnlich schütter ist wie das von Simpson-Vater Homer.

Dazu bewegen sie sich ruckartig wie Figuren aus einem schlecht animierten Computerspiel. Zauselige Trachtenzombies, wie aus Raum und Zeit gefallen. Und tatsächlich spielt diese bayerische Space Odyssey in einer fernen Galaxie in vielleicht nicht gar so ferner Zukunft, in der sich ein Häuflein Bayern irgendwo ins All verzogen hat, um dort unbehelligt einem Lebensstil zu frönen, den ihnen der Zeitgeist madig gemacht hat.

Hier regiert die Engstirnigkeit

Das heißt konkret: auf diesem Planeten darf noch ohne schlechtes Gewissen Fleisch gegessen und Bier gesoffen werden, und Fremde und Queere dürfen weiterhin ausgegrenzt werden. Von wegen also: "der Weltraum, unendliche Weiten". Hier regiert die Engstirnigkeit. Auf diesem Planeten können die weltflüchtigen Exil-Bayern in bräsiger Mia-san-Mia-Selbstgefälligkeit buchstäblich bis zum Inzest ungestört um sich selber kreisen. Aber auch dieses bizarre Idyll, das Regisseur Marco Layera und Dramaturg Martín Valdés-Stauber als veritables Horrorszenario ausgemalt haben, auch dieses Idyll bleibt nicht ungetrübt. Bald schon landen Touristen auf dem Planeten, um dem traditionellen Treiben dort beizuwohnen.

Der Tanz um einen giftgrünen Maibaum zu bedrohlich hingestampften Akkorden gehört ebenso dazu wie ein Volksfestbesäufnis mit Rülpseinlagen. Keine Frage: Die Kostüm- und Maskenbildner-Abteilungen der Münchner Kammerspiele haben ganze Arbeit geleistet. Beeindruckend! Und das Duo Layera/Valdés-Stauber wartet auch mit einer hübsch bösen Pointe auf, nämlich dass es in seinem Stück – in Umkehrung realer Verhältnisse – die Mia-san-Mia Bayern sind, die als Exoten gelten, die begafft werden wie die Zootiere.

Viel Brimborium und Bombast-Sound

Doch solche Feinheiten gehen unter angesichts des plakativen Gestus der Aufführung. Die Tumbheit dieses von der eigenen Identität besoffenen Bajuwaren-Völkchens wird mit so brachial-pauschalem Bayern-Bashing vorgeführt, dass man schon nach wenigen Minuten begriffen hat, für wie fragwürdig es die beiden Theatermacher halten, sich mit der Mia-san-Mia-Mentalität zu identifizieren.

Klar, Zerrbilder der Mehrheitsgesellschaft zu zeichnen, ist in der Regel unproblematisch. Jedenfalls in keiner Weise so heikel, wie tendenziell diffamierende Klischees über Minderheit zu verbreiten. Erkenntnisfördernd ist das Breittreten von Stereotypen aber so oder so nur in den seltensten Fällen. Und die Aufführung – trotz Brimborium und Bombast-Sound – daher dementsprechend öde bis ärgerlich. Am Ende schießt einem das Spielzeit-Motto der Kammerspiele durch den Kopf: "Auf nach woanders". Ja, man will schnell raus aus dem Theater nach der Vorstellung. Aber so was das vermutlich nicht gemeint mit dem Motto.

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