Ein Mann hält während einer Demonstration von Kulturschaffenden und Journalisten gegen die geplanten Programmkürzungen beim Bayerischen Rundfunk (BR) ein Plakat mit der Aufschrift ·Liebe kulturferne Intendantin, bitte treten Sie zurück und machen Sie Platz für eine Person, die mehr und nicht weniger Kultur in den BR bringt·. Foto: Matthias Balk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Demonstration gegen den befürchteten Kultur-Abbau bei der geplanten Programmreform von Bayern 2

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Kulturschaffende demonstrieren gegen Bayern-2-Programmreform

Kulturschaffende demonstrieren gegen Bayern-2-Programmreform

Zahlreiche Künstler haben in München gegen die geplante Reform des Radioprogramms Bayern 2 protestiert. Nach Protestnoten von Nora Gomringer, Uwe Timm und anderen überbrachten sie der Rundfunkleitung einen Offenen Brief.

Über dieses Thema berichtet: Rundschau Magazin am .

Schriftsteller, Theatermacher, Musiker, Journalisten und weitere Kulturschaffende haben sich hinter dem Hochhaus des Bayerischen Rundfunks versammelt, um gegen eine geplante Programmreform von Bayern 2 zu protestieren - und im Anschluss einen Offenen Brief an die Intendantin zu übergeben. Darin heißt es, man nehme mit "größter Sorge" die Berichterstattung über "einen radikalen Umbau der Welle Bayern 2 zur Kenntnis".

Kritisiert wird, dass mehrere Stunden eigenständiges Kulturprogramm im Frühjahr 2024 im Zuge einer weitreichenden Programmreform verschwinden werde. Die Veranstalterinnen der Demonstration legten die Betonung auf "eigenständiges" Kulturprogramm und listeten auf, um welche Sendungen es sich handelt: kulturWelt, das tägliche Feuilleton, Diwan, das Büchermagazin, das Kulturjournal. Kritik, Dialog Essay, Nachtstudio, filmKultur und radioTexte, die Lesungen.

  • Zum Artikel "BR-Kulturdirektor Wilhelm: 'Es droht kein Kultur-Kahlschlag'"

"Raum, um unsere Arbeit sichtbar und hörbar zu machen"

"Der Wegfall eines großen Teils der Kultursendungen von Bayern 2 führt aus unserer Sicht auch dazu, dass wir Künstlerinnen und Künstler – Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Musikerinnen und Musiker, Regisseurinnen und Regisseure, Theatermacherinnen und Theatermacher, Architektinnen und Architekten, Bildende Künstler und Künstlerinnen und andere – künftig immer weniger Raum bekommen, um unsere Arbeit sichtbar und hörbar zu machen, um ein offenes Podium für sie zu haben. Wo aber soll man Kultur noch entdecken, wenn es kein Forum zum Entdecken mehr gibt?" heißt es in dem von den Schriftstellern Thomas von Steinaecker und Sandra Hoffmann und der Verlegerin Eva Mair-Holmes initiierten Offenen Brief. Sandra Hoffmann las ihn bei der Demonstration vor – von Steinaecker hatte seine Teilnahme an der Demonstration am Morgen kurzfristig abgesagt.

Die unterzeichnenden Künstlerinnen und Künstler fürchten mit der für April 2024 geplanten Reform: "das Ende einer eigenständigen kontinuierlichen und vertiefenden Kulturberichterstattung, das Ende von Debattenkultur, das Ende kultureller Themensetzung im Programm von Bayern 2."

Direktor Wilhelm: Kultur in die Kernzeiten

Björn Wilhelm, Programmdirektor Kultur beim BR, dagegen sieht in der Reform eine "echte Kulturoffensive". Kultur werde mehr Aufmerksamkeit, mehr Sendezeit, mehr Präsenz im Digitalen und mehr Präsenz vor Ort haben. Zentraler Punkt für ihn: Die Inhalte werden aus den "Randzeiten in die Kernzeiten" überführt. Dazu wird eine neue, werktägliche zweistündige Kultursendung eingeführt, immer von 14 bis 16 Uhr. Statt der halbstündigen Sendung "kulturWelt" am Morgen ist eine durchgehende "Morgenstrecke" von 6 bis 9 Uhr geplant, in der die Magazine "radioWelt" und "kulturWelt" aufgehen sollen. So will der BR bis zu siebenmal mehr Hörerinnen und Hörer für Kulturthemen erreichen.

Uwe Timm gegen Regionalisierung und Quotendruck

Schriftsteller Uwe Timm entgegnete auf der Demonstration mit der Überlegung: "Geht es um Quantität, könnte man Buchrezensionen auch im Verkehrsfunk bringen mit einer zwanzigfachen Hörerschaft, wenn die dann überhaupt hinhören und nicht auf die nächste Blitzwarnung warten".

Während Björn Wilhelm plant, künftig mehr "in bayerische Kultur, bayerische Autoren, bayerische Vernissagen, bayerische Premieren zu investieren" statt in internationale Blockbuster, warnt der Schriftsteller vor einer forcierten Regionalisierung. Die "Diversifikation ins Beliebige" und Unterhaltsame, explizit ins Bayerische, ist in den Augen von Uwe Timm absurd, wobei er natürlich "nichts gegen bayerische Kunst" sagen wolle. Nur dagegen, dass man sich ausklinke aus einem Diskurs, der international und auch bundesrepublikanisch geführt wird.

Gomringer will bewährte Sendungen statt Gesamt-Fläche Kultur

Die Dichterin und Kulturmanagerin Nora Gomringer fürchtet in ihrer Protestnote, dass die Kultur durch die geplante Bayern-2-Programmreform in einem Verschiebebahnhof geopfert werde. "Würden die bewährten Programme in eine Art Radio-Gesamt-Fläche Kultur übergeleitet, würde dem Quotendruck stattgegeben, so ließe man Formate sterben, die hohe Sicht und Hörbarkeit von Künstlerinnen und Künstlern in Bayern und in ganz Deutschland garantierten".

Eine kulturWelt-Hörerin bringt nach der etwa 40 Minuten dauernden Protestveranstaltung die Stimmung vieler Demonstrierenden im BR-Interview auf den Punkt: "Das Verstreuen (der Kulturinhalte) ist das, was mich unglücklich macht. Ich bin jemand, der die kulturWelt jeden Morgen gehört hat, und mir ist das Herz stehen geblieben, als ich gehört habe, die wird gestrichen."

BR: Keine Kürzung, keine Verflachung

Unter BR-Mitarbeitern hatte sich angesichts der Umbaupläne ebenfalls großer Protest geregt. Neben Kulturprogrammchef Wilhelm stellte sich auch Intendantin Katja Wildermuth gegen Behauptungen, es handele sich um "vermeintliche Kürzungen" und forderte "einen klaren Blick auf die Fakten". Wilhelm betonte dazu: "Wir nehmen keinen Euro aus der Kulturberichterstattung im kommenden Jahr heraus." Und: "Nichts an dieser Reform ist auf Verflachung angelegt."

Der Schriftsteller und Regisseur Thomas von Steinaecker, die Schriftstellerin Sandra Hoffmann und die Verlegerin Eva Mair-Holmes haben den Offenen Brief initiiert. Rund 150 bildende Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten haben ihn unterzeichnet.

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