Man kennt sich, trifft sich immer mal wieder, spielt gemeinsam. Aber es gibt nicht den einen Ort in der Münchner Jazzszene, wo Musiker und Publikum regelmäßig zusammenkommen, experimentieren und zusammenwachsen. "Es gibt Locations, das ist die Unterfahrt, das ist der bayerische Hof, das ist die Jazzbar Vogler, das ist der Schwere Reiter. (...) Was wir ergänzen wollen, ist eine niedrigschwelligere Struktur, dass da auch ein Interesse da ist bei jüngeren Generationen", so Luca Zambito vom neuen Kollektiv Niq. Dafür wäre es gut, Räume zu haben, die möglichst keinen elitären Charakter ausstrahlen, wo man sich in Wohnzimmeratmosphäre treffen und austauschen könne, um Projekte auszuprobieren, die noch nicht ganz "ready" für die große Bühne seien.
Musikalischer Thinktank im alten Gasteig
Picniq nennen die acht studierten Jazz-Absolventinnen der Münchner Musikhochschule ihr erstes Format, mit dem sie in ihren Proberaum, im Fat Cat im alten Gasteig, einladen. Neben ihren professionell produzierten Alben, die sie mit renommierten Labels aufgenommen haben, geht es ihnen darum, "dass man sagt, okay ich bring' mal ein paar Zeilen mit, oder eine einseitige Idee, eine Skizze und ich will mal wissen, wie das klingt – und dadurch ist das wie so ein musikalischer Dialog, der entsteht, den wir immer total spannend finden, weil man sich immer so verwundbar macht, man bringt was total Unvollendetes in den Raum und schaut, was da entstehen kann."
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Unterwegs zu mehr Diversität im Jazz
Zusammen haben die acht Musiker und Musikerinnen vier Bands in unterschiedlicher Besetzung: Das Luca Zambito Quartett, das Nils Kugelmann Trio, das Shuteen Erdenebaatar Quartett und Fiona Grond Interspaces. Sie machen sogenannten Contemporary Jazz, Musik mit Elementen freier Improvisation und Experimentierfreude, teilweise sehr rhythmisch, mit groovigen Texturen, dann wieder sehr zart und filigran.
Ein erklärtes Ziel des Kollektivs ist es zudem, die Münchner Jazzszene diverser zu machen, so Fiona Grond: "Diversität ist ein sehr aktuelles Thema, das auch die Jazzszene beschäftigt." Es seien immer noch viel mehr Männer als Frauen, vor allem Instrumentalisten, und das lasse sich auch nicht von heute auf morgen ändern. Daher glaube sie, das Wichtigste sei, dass Frauen im Jazz Präsenz zeigten und das vorlebten.
Runder Tisch für den Jazz
Das Kollektiv besteht aus fünf Männern und drei Frauen, die eine angenehme Atmosphäre schaffen wollen, in der auch Jazzmusikerinnen sich wohlfühlen. Auf Jamsessions fühlten sich Musikerinnen nämlich oft nicht wohl, denn oft stünden nur Männer auf der Bühne. Dies sei natürlich eine höhere Hemmschwelle, als wenn schon ein paar Musikerinnen dort stünden. Zudem sei es auch einfach wichtig, "eine gewisse Awareness" zu schaffen.
Noch hat das Kollektiv viel mehr Fragen als Antworten. Die Künstlerinnen und Künstler sind selbst noch auf der Suche, was die Münchner Jazzszene eigentlich ausmacht. Ihre Idee ist, mal alle Leute der Jazz-Szene einzuladen, sich an einen runden Tisch zu setzen, mal zu sprechen, wie es um die Jazzszene in München stehe: Wo wollen wir hin?
Das Niq-Kollektiv – Niq übrigens wie Munich, wobei das q am Ende an eine Note erinnert – will ein Festival auf die Beine stellen. Die Gruppe hat das Zeug dazu, den Münchner Jazz stilistisch offener, experimentierfreudiger und nahbarer zu machen, sodass man eben nicht zwischendurch nur miteinander spielt und sich gelegentlich sieht, sondern dass in München ein musikalischer Raum entsteht, der das Gefühl vermittelt, dass Musiker wie Zuhörer, Profis oder Laien, also eben jeder willkommen ist und alle zusammengehören.
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