Anfang dieser Woche – das Hochwasser in Passau und Regensburg war noch nicht wieder abgeflossen –, verkündete Kunstminister Markus Blume (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München, dass er zur Rettung wertvoller Bücher und Gemälde einen Notfallcontainer bestellt habe. Ein Container für all die Kunst des Freistaats? Der BR hat sich von Laura Scherr, Abteilungsleiterin in der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, erklären lassen, was es damit auf sich hat.
Eine fahrende Werkstatt
"Der Container ist im Prinzip eine fahrende Werkstatt", so Laura Scherr. Eine Werkstatt, mit einem Waschbecken, um das Kulturgut reinigen zu können, und mit einer Station zur Dokumentation: einem Scanner oder einer Kamera. Damit werden die Schäden dokumentiert und wird festgehalten, welches Kulturgut über den Container gelaufen ist. "Und dann gibt es eine Verpackungsstation, weil Sie müssen nasses Kulturgut, bevor Sie es gefriertrocknen können, in Stretchpapier einwickeln, weil es sonst aneinander haften bleibt und noch größere Schäden verursacht". Dieses Procedere gelte aber nur für kleinere Gegenstände, für Archivgut, Bibliotheksgut, eventuell kleinere Kunstgegenstände. Größeres Material wie größere Gemälde muss man außerhalb des Containers behandeln, weil die nicht reinpassen: "Ein Rembrandt aus der Staatsgemäldesammlung, den kriegen Sie nicht durch die Tür", so Scherr.
Container samt Restaurationsmannschaft
Bei dem von Markus Blume georderten Container handelt es sich um einen sogenannten "Abrollcontainer". Das ist ein genormtes Gerät, das im Prinzip von jeder Feuerwehr und dem THW transportiert werden und so überall eingesetzt werden kann. Im Notfall kann dieser Container dann zu den Museen oder Archiven, die zum Beispiel durch Hochwasser in Not geraten sind, kommen. Dazu reicht es allerdings nicht die 110 oder 111 zu wählen, die Infrastruktur für eine solche Kulturrettung wird gerade erst abgestimmt: Grundsätzlich funktioniert es nach Laura Scherr so, dass der Container über die Integrierten Leitstellen der Feuerwehren angefordert wird. Dann entscheide der Notfallverbund Bayern, ob es eine Indikation für diesen Container gibt oder nicht. Wenn ja, werde parallel zum Container auch eine entsprechend spezialisierte Mannschaft alarmiert: Restaurierer und andere Fachkräfte, die vor Ort auch fachgerecht mit dem Material umgehen können und mit der Feuerwehr in dieses Einsatzgebiet transportiert werden. Dieser Container ist, so Scherr "kein Gerät, das sie ungeschulten Leuten einfach vor die Tür stellen können. Im Prinzip muss da schon auch jemand mitfahren, der sich damit auskennt, auch den mit dem Container schonmal geübt hat".
Aufbauhilfe erlaubt nur einen Notfallcontainer
Mit dem Bestellen des Containers ist es also nicht getan. Wenn der bayerische Notfallcontainer wie geplant Anfang des kommenden Jahres eintrifft, müsse erst einmal "intensiv geübt werden" und alles mit den bestehenden bayerischen Notfallverbünden koordiniert werden. Der Container des Freistaats soll nach Angaben Blumes im Depot der Staatlichen Archive im Landkreis Freising deponiert werden. Angeschafft wird er mit Mitteln der Aufbauhilfe 2021, die nach dem Hochwasser vor drei Jahren beschlossen wurde. Diese Mittel reichen allerdings in Bayern erst mal nur für diesen einen Notfallcontainer, der durch einen reinen Aufbewahrungs-Container (ohne Werkstatt etc.) ergänzt werde. Im Notfall könnten – so Scherr – aber auch andere Bundesländer einspringen: "Dort gibt es teilweise diese Container schon. Der Notfallverbund Köln war der Erste, der besteht schon, in Baden-Württemberg wird es 2025 auch einen Container geben, und Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind auch in der Beschaffung".
Eigene Notfallpläne wichtig
Wichtig sei aber, dass jedes Museum, jedes Archiv, also jede auch kleinere Einrichtung einen eigenen Notfallplan hat, der individuell auf die Gegebenheiten abgestimmt ist und Leute benennt, die im Notfall alarmiert werden müssen. So sei das etwa bei den staatlichen Archiven Bayerns. "Da hat jedes Staatsarchiv einen eigenen Notfallplan für sein Haus. Wir haben natürlich einen sogenannten Notfall-Rahmenplan und einen Plan für Großschadensereignisse."
Zu den Erstunterzeichnern des neuen Notfallverbundes Bayern gehören vor allem größere Einrichtungen mit eigenen Werkstätten, die Kulturgut verwahren, wie die Staatsgemäldesammlungen, oder das Bayerische Nationalmuseum (BNM). Letzteres war, "noch nicht von Umweltschäden in größerem Ausmaß, das einen Notfallverbund notwendig macht, betroffen", wie der Generaldirektor des BNM, Frank Matthias Kammel, auf Anfrage in einer Stellungnahme dem BR mitteilt. "Wir handeln angesichts des durch klimatische Veränderungen bestimmte Situation proaktiv. Das heißt wir reagieren nicht auf Schäden, sondern agieren vorausschauend, damit in entsprechenden Situationen auf den besten Grundlagen für die Erhaltung von Kulturgütern gehandelt werden kann."
Auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind – wie sie mitteilen – "glücklicherweise nicht von der aktuellen Hochwasserlage bedroht und waren dies auch nicht bei anderen Hochwasser- und Unwetterlagen in der Vergangenheit". Aber sie versichern, dass sie mit dem ihnen angegliederten Doerner Institut über Expertinnen und Experten sowie über eine eigene Infrastruktur zum Schutz und zur sichereren Verwahrung von Kulturgut verfügen.
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