Tamana und ihre Pflegemutter Yvonne.
Bildrechte: BR/Agnieszka Schneider
Videobeitrag

Tamana und ihre Pflegemutter Yvonne.

Videobeitrag
> Kultur >

Oberfranken statt Afghanistan: Aufwachsen in einer Wahlfamilie

Oberfranken statt Afghanistan: Aufwachsen in einer Wahlfamilie

Eine neue Heimat in Deutschland: Die 13-jährige Tamana hat in Bamberg eine Wahlfamilie gefunden, während ihre leibliche Familie in Afghanistan lebt. Doch die Sehnsucht nach den Verwandten bleibt.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Zwei Erwachsene mit zwei Kindern im Wald: eigentlich ein ganz normaler Familienausflug. Nur für die 13-jährige Tamana sind die anderen drei keine Blutsverwandten. Matthias, Erik und Yvonne sind seit drei Jahren zur Wahlfamilie für das afghanische Mädchen geworden.

Tamana lebt in Bamberg, sie kommt aber aus Zentralafghanistan. Vor drei Jahren suchte eine Hilfsorganisation für sie eine Familie in Deutschland. Denn Tamana leidet an einer Knochenmarkentzündung und muss am Bein operiert werden. Nach langen Überlegungen beschließen Tamana und ihre Eltern, dass sie nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wird. "Es war nicht leicht, zu entscheiden, dass ich in Deutschland bleiben will", sagt Tamana heute.

Aber in Afghanistan sei es nicht mehr so frei wie früher: "Die Taliban sind dort. Mädchen dürfen nicht zur Schule und nicht arbeiten. Aber das würde ich gern." Bei Erik, Yvonne und Matthias, der Pflegefamilie, fühlt sie sich wohl: "Es ist fast wie eine Familie. Aber meine Eltern fehlen mir trotzdem. Und die vermissen mich auch, und es ist manchmal nicht leicht. Wenn ich daran denke, wie es früher mit meiner Familie war, dann ist das schon traurig."

Zusammenhalt trotz fehlender Verwandtschaft

Für Pflegemutter Yvonne ist die 13-Jährige wie eine Tochter. Aber sie hofft, dass Tamana sich beiden Familien zugehörig fühlt: "Ich wünsche mir gar nicht, dass sie 'Mama' zu mir sagt", meint sie. "Ich will ihre Mama nicht ersetzen oder sie ihr wegnehmen." Auch der 12-jährige Erik musste sich innerhalb von kurzer Zeit auf Tamana einstellen. Mittlerweile sind sie wie Geschwister: "Manchmal ist es anstrengend, plötzlich eine Schwester zu haben, aber meistens ist es schön. Und es macht auch immer wieder Spaß."

Die Familie ist ein Teil eines Wohnprojekts in Bamberg. Eine Gemeinschaft, die ohnehin familienähnlich funktioniert. Alle Mitbewohner haben Yvonne Unterstützung gegeben, damit Tamana sich hier wie in einer echten Familie aufgehoben fühlt. "Das hat mir auch ganz viel Kraft gegeben", sagt sie im Rückblick. "Es ist heute so, dass die Freude über Tamanas Entwicklung genau so geteilt wird wie der Schmerz." Als Tamana das erste Mal aus dem Krankenhaus gekommen sei, habe es eine Willkommensparty gegeben: "Das Erste, das Tamana gesagt hat, war: 'Wow, wer sind die vielen fremden Leute, die mich so liebevoll aufnehmen?"

Regelmäßiger Kontakt zur leiblichen Familie

Auch für den 76-jährigen Walter ist Tamana ein Stück weit Familienersatz. "Weil meine Enkel weit weg wohnen und ich sie nur übers Fernsehen sehen kann, ist es schön, dass wir im Haus viele Kinder haben, die Bezug zu mir haben", sagt er. "Wir sind Familie, ohne miteinander verwandt zu sein."

Zu ihrer leiblichen Familie hält Tamana regelmäßig Kontakt. Mehrmals in der Woche telefoniert sie mit ihnen. "Dann bin ich nicht so traurig", sagt sie. "Aber wenn die nicht anrufen, dann mache ich mir schon Sorgen, ob etwas passiert ist." Auch wenn sie sich manchmal hin- und hergerissen fühlt: Tamanas Herz schlägt weiter für ihre Familie in der Heimat. Aber bleiben möchte sie bei ihrer Wahlfamilie in Bamberg.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!