Die Nürnberger Pocket Opera Company (POC) hat 2024 mit einem üppigen Programm ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Die Truppe gilt als ältestes freies mobiles Musiktheater Deutschlands, mit einem Repertoire von Barock bis neuer Klassik, von Liedgut bis Oper, gespielt an ungewöhnlichen Orten – Oper kann bei der POC überall sein.
Richard Wagner im Waschsalon – ein POC-Klassiker
Mit 75 ausverkauften Aufführungen seit 2012 ist Richard Wagners "Fliegender Holländer", aufgeführt im Waschsalon, der Dauerbrenner der POC. Die Waschhaus Walhalla, komprimiert auf eine Stunde. Mit Waschweiber-Chor, Bariton Robert Eller als Holländer und Sopranistin Gertrud Demmler-Schwab als Senta, begleitet von vier Saxofonen, die eine eingedampfte "Holländer"-Fassung – arrangiert von Franz Killer, dem nicht nur musikalischen Leiter der POC – mit Leidenschaft und Witz interpretieren.
Das Stück hat viele Fans: von echten Wagner-Liebhabern bis Menschen, die sonst die Oper scheuen, den Spielort aber so spannend finden, dass sie sich "sogar" Wagner anschauen. Dieses Stück ist ein Paradebeispiel dafür, wie die POC funktioniert und was seit 50 Jahren ihr Erfolgsgeheimnis ist.
Mit abgespeckten Opern übers Land ziehen
Die POC-Geschichte begann 1974, als sich der britische Dirigent David Seaman und der Schweizer Regieassistent Beat Wyrsch am Nürnberger Opernhaus getroffen hatten und Seaman die zündende Idee für die POC hatte, wie sich Beat Wyrsch heute erinnert: "Das war so ein ganz ruhiger Engländer, der die Tradition von England kannte, dass man mit der Oper übers Land zieht und in Wirtshaussälen eine abgespeckte Version von Oper macht, indem man das Ganze umarbeitet oder bearbeitet für ein kleines Orchester, für ein kleines Sängerensemble." Eine Idee, die Beat Wyrsch aufnahm und die Regie für die Stücke übernahm.
Von Barock bis in die Moderne
Die erste Produktion war mit Purcells "Dido und Aeneas" im Heilig-Geist-Saal Nürnberg noch relativ konventionell, gesungen von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Opernhaus: "Mir ging es drum, dass man gute Gesangskräfte hat, die dann auch überzeugen, wenn man etwas außerhalb des Opernhauses macht", erinnert sich Wyrsch. Denn das sei anfangs auch von der Stadt als eigentlich überflüssig angesehen worden. Opern waren im Opernhaus verortet. Aber die POC spielte im Zirkuszelt, in der Schwelbrennanlage, in Bars und Kaufhäusern – oder in einen Flugzeughangar, wie mit dem Stück "Palermo, Geschichte eines Fluges", basierend auf einem mysteriösen Flugzeugabsturz.
Die ungewöhnliche Kombination der Stücke und Orte zog auch neue Operngänger an. Ihnen half, meint Beat Wyrsch, die Neugierde ihre Schwellenangst zu überwinden, selbst wenn es um aktuelle Themen ging.
Gefragt: Mut und Experimentierfreude
Die POC sprengt Grenzen, entdeckt alte Opern neu und widmet sich aktuellen Themen. Unter Beat Wyrsch wurde sie international, spielte in England, Holland und New York. Immer getragen von Künstlerinnen und Künstlern, die bereit sind, Neues zu wagen, zu improvisieren. So wie Elizabeth Kingdon, die Beat Wyrsch im Opernhaus bei der Arbeit an "Tosca" kennengelernt hatte. Die Sopranistin schloss sich ab 1976 der POC an und sprengte oft als persiflierende Diva gängige Rollengrenzen. Sie gründete sogar eine Stiftung, mit der sie das Musiktheater auch nach ihrem Tod 2021 weiter unterstützt.
Franz Killer und die Saxofone
Für alle Akteure war und ist die POC eine außergewöhnliche Spielwiese auf hohem künstlerischen Niveau. Das ist auch unter Franz Killer so geblieben, der 2003 die Leitung der POC von Beat Wyrsch übernahm. Killer brachte eine völlig neue Klangfarbe ins Spiel und setzt bei seinen musikalischen Bearbeitungen viel auf Saxofone. Er ist davon begeistert, "wie flexibel das Instrument ist und wie aufgeschlossen die Musiker hinter diesen Instrumenten sind." Und diese nicht endende Experimentierfreude begeistert auch heute noch das Publikum. Bleibt zu hoffen, dass die POC die nötige Unterstützung - auch von der Stadt und dem Staat - erhält, dass sie weiterhin so erfolgreich Menschen für Musiktheater begeistern kann.
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