Wie ist das, wenn man für einen Oscar nominiert werden könnte – und dann tatsächlich nominiert wird? "Ich würd's vergleichen – für jeden, der Fußballfan ist – mit einem Elfmeter", antwortet Moritz Binder auf diese Frage. "Die Anspannung war ähnlich oder noch mehr, und als der Elfer drin war, sind wir vor lauter Freude erstmal durch den Raum gehüpft!"
Ein preiswürdiger Film
Das ist erst ein paar Tage her, doch seit der Nominierung ist Binder auch für Hollywood interessant. Zwar gab es noch keine konkreten Anfragen, aber sehr viele Gratulationen. Die sich auch als getarnte Anfragen verstehen lassen: "Los Angeles reagiert da schnell", sagt Moritz Binder im Gespräch mit dem BR, "das ist schmeichelhaft, die feiern das natürlich auch. Ich glaube, ich hab noch nie meinem Leben so viele Nachrichten bekommen."
Der Film, für dessen Drehbuch der Autor nominiert ist: "September 5". Er erzählt vor dem Hintergrund der realen Ereignisse die Erlebnisse eines amerikanischen Fernsehteams beim Attentat während der Olympischen Spiele 1972 in München.
Premiere hatte der Film im vergangenen Sommer bei den Filmfestspielen in Venedig, er wurde bereits mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Beim Bayerischen Filmpreis gewann er als bester Spielfilm. Und nun also die Oscar-Nominierung für das Drehbuch.
Vom Tatort zum Kinofilm
Der Autor des nominierten Skripts beschreibt auf seiner Webseite seine Tätigkeit so: "I do write things for the movies". Vor dem Kino allerdings kam für den sympathischen 42- jährigen Münchner Moritz Binder, der an der Hochschule für Fernsehen und Film München Dokumentarfilm studiert hat, die Arbeit fürs Fernsehen. Krimis wie "München Mord", "Mordschwestern" fürs ZDF oder den Münchner Tatort – dessen letzte Folge mit Batic und Leitmayr als Kommissare, die 100., er auch schreiben wird. Und dann kam Regisseur Tim Fehlbaum auf ihn zu, mit dem Auftrag, die packende Story von "September 5" mit ihm zusammen dramaturgisch aufzuarbeiten.
Terror "spannend" erzählen?
Dabei stand Binder vor der schwierigen Aufgabe, ein Drehbuch zu schreiben, das die historischen Ereignisse ungeschönt zeigt und zugleich die Anspannung der damaligen Situation in Filmspannung übersetzt. Es sei, so Binder, auch Tim Fehlbaums Ansatz gewesen, eine Art "Pageturner" zur Grundlage des Films zu machen. Nicht als simplen Krimi, sondern mit der Idee, dem tatsächlichen Geschehen möglichst nahe zu kommen. Man sollte "permanent umblättern wollen, um zu wissen, wie es weiter geht", so die Erzählidee.
Für sein erstes Kino-Script, das in den Bavaria Studios in Geiselgasteig verfilmt wurde, hat Moritz Binder sich in seiner Schreibstube am Münchner Großmarkt tief in die Recherche vergraben. Er liebt es, sich so weitreichenden Einblick in den Stoff wie möglich zu verschaffen. Die Abläufe jenes verhängnisvollen 5. September, an dem ein palästinensisches Terror-Kommando israelische Olympia-Teilnehmer als Geiseln nahm und elf Menschen ermordete, zeigt der Film auch deshalb so präzise und nah an der Wirklichkeit, weil er Originalmaterial einbezieht. Davon könne man sich gar nicht weit entfernen, so Moritz Binder.
Dieses Originalmaterial, also die Fernsehaufnahmen des US-Senders "ABC" von 1972 am Olympischen Dorf, ist durch das Drehbuch und den kongenialen Schnitt perfekt in das eineinhalbstündige spannende Kammerspiel des Films eingefügt. Für Amerika hat das Paramount Filmstudio gleich nach der Premiere in Venedig die Rechte am Film erworben und boxt ihn nun mit Marketing und Sondervorstellungen Richtung Oscars.
Ein Goldjunge ...
Und zur Show der Oscars hat Moritz Binder eine ganz besondere Verbindung: "Ich hab früher schon immer geschaut", erzählt er. Schon in der Schulzeit, als es noch keine Smartphones und keinen Stream gab: "Ich hatte mit meinem Deutschlehrer die Vereinbarung: Ich darf wach bleiben und gucken und später verkünden, wer's gekriegt hat und durfte dann bisschen Nickerchen machen."
Das wird am 2. März nun anders sein, wenn Moritz Binder mit seiner Frau bei den Oscars im Saal sitzt. Den Smoking hat er schon, die Familie zu Hause drückt die Daumen, und ab 6.00 Uhr morgens gibt es Weißwürste. Und wenn es wirklich klappen sollte mit einem Oscar fürs beste Drehbuch? "Dann hoffe ich, dass ich nicht in Ohnmacht falle – das wäre eine Möglichkeit. Und als zweites hoffe ich, dass der Tim" – gemeint ist Regisseur Tim Fehlbaum – "schneller wieder Worte findet als ich und ich mich quasi an seine Rede dranhängen kann und sagen: 'Das, was er sagt, sag ich auch'!"
... und ein rothaariger Kobold
Sollte es mit dem Oscar aber nicht funktionieren – auch das wäre kein Problem: Moritz Binder hat schon den nächsten Großauftrag in der Pipeline: die Kinoadaption der legendären "Pumuckl"-Serie durch Marcus H. Rosenmüller. Darauf freut Moritz Binder sind ganz besonders, schließlich ist er ein bekennender Pumuckl-Fan. Und sagt von sich, er habe auch damals schon zum großen Erfolg des kleinen Kobolds beigetragen: "Meine Oma hatte nämlich so einen Kasten auf dem Fernseher, mit dem die Quote gemessen wurde, und ich hab da immer Pumuckl geschaut." Alle Folgen und alle Schallplatten hat er – klar, dass er nun auch dabei sein wollte, den Kobold neu ins Kino zu bringen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!