Mann in italienischer U-Boot-Kapitän-Uniform schaut von der Seite skeptisch in die Kamera, hinter ihm sind uniformierte Männer zu sehen.
Bildrechte: Foto: Venice International Film Festival

Schauspieler Pierfrancesco Favino spielt in 'Comandante' Salvatore Todaro, der einer historischen Figur von 1940 nachempfunden ist.

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Provinzielle Fernsehware zur Eröffnung des Filmfests in Venedig

Roter Teppich in Venedig ohne Hollywood-Stars? Das älteste, internationale Kino-Festival ohne US-Schauspieler? Es herrschte leichte Panik im Vorfeld. Der anhaltende Streik in Hollywood wirkt sich offenbar auf die 80. Ausgabe der Filmfestspiele aus.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Mit einem "guten", also aufrichtigen Italiener begann der Galaabend zur Eröffnung der Filmfestspiele von Venedig – mit dem zweieinhalbstündigen Drama "Comandante" über einen U-Boot-Kapitän im Zweiten Weltkrieg. 1940 wurde Salvatore Todaro europaweit zum Gentleman der Meere ausgerufen, nachdem er zuerst ein bewaffnetes, belgisches Handelsschiff unter britischer Flagge versenkt hatte und dann die Besatzung vor dem Ertrinken rettete, dabei sogar die eigene Mannschaft und sich selbst gefährdend.

Man kann diesen Film, der erst wegen des Drehbuchautoren- und Schauspielerstreiks in Hollywood als italienische Produktion auf den Eröffnungsabend vorrückte, als durchaus ambivalentes Statement begreifen.

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Das Filmfest in Zeiten einer postfaschistischen Regierung?

"Comandante" will und kann es allen recht machen: den italienischen Postfaschisten, die ein Historiendrama erleben können, das kein böses oder kritisches Wort über den Faschismus unter Mussolini verliert. Stattdessen stellt er ihn als gegeben dar, – auch wenn der U-Boot-Kapitän einmal sagt, er sei kein Faschist, sondern ein Seemann. Aufgeklärte Zeitgenossen erleben Salvatore Todaro als Menschenfreund in Zeiten, in denen andere europäische Küstenwachenkapitäne sich keineswegs so aufopferungsvoll kümmern um gekenterte Geflüchtete wie Todaro um seine Kriegsgegner.

Was also kann man sagen über diesen italienischen Eröffnungsfilm der Filmfestspiele von Venedig? Es ist letzten Endes ein formal und national erbauliches Werk mit einem ziemlich unterbelichteten Frauenbild. Der Menschen rettende Kapitän antwortet am Ende auf die Frage, warum er seine Feinde aus dem Meer geborgen habe – "Ich bin Italiener". Der echte Todaro, so wird es überliefert, habe 1940 auf die Frage geantwortet: "2.000 Jahre europäische Kultur" – ein gewaltiger Unterschied!

Mittelmäßiges U-Boot-Epos

"Comandante" kann als italienische Hochglanzproduktion nicht überzeugen: In Dynamik und Charakterzeichnung weit entfernt vom U-Boot-Klassiker "Das Boot" und immer wieder zum Kitsch tendierend fällt dem Film nicht sehr viel mehr ein, als seine Hauptfigur als plakativ gebrochenen Helden zu zeigen. Als eben "guten" Italiener und immerhin beseelten Humanisten. Für den Applaus des Galapublikums gestern Abend reichte das – von dem Film, den der Fernsehregisseur Edoardo De Angelis verantwortet, wird man vermutlich nach Venedig nicht mehr viel hören.

Und sonst?

Insgesamt erstaunliche sechs Filme italienischer Produktion – so viele wie noch nie – laufen diesmal im mit 23 Werken ziemlich aufgeblasenen Wettbewerb um den Goldenen Löwen. "Die große Chance für unser Kino" titelt die italienische Filmzeitschrift Ciak nationalistisch. Ist das der neue Ton unter Regierungschefin Giorgia Meloni? Dabei ist man vor allem Nutznießer des Hollywoodstreiks der Drehbuchautoren- und Schauspielergewerkschaften.

Manche US-Filme wurden zurückgezogen oder laufen auf dem Lido, ohne dass die vielbegehrten Stars sich auf dem Roten Teppich zeigen dürfen. Ausnahmen gibt es trotzdem: So für Schauspieler in unabhängigen Produktionen – wie etwa Adam Driver, der als Enzo Ferrari in dem US-amerikanischen Biopic über den Gründer der berühmten Automarke seine Fans sicher beglücken wird.

Deutsche Stars im Wettbewerb um den Goldenen Löwen

Durch das Fehlen der US-Amerikaner genießen auch die deutschen Wettbewerbsteilnehmer größere Aufmerksamkeit. Unter ihnen der deutsche Regisseur Timm Kröger, der mit "Die Theorie von allem" ins Rennen geht und Franz Rogowski, der im Historienfilm "Lubo" von Giorgio Diritti einen nomadischen Straßenmusiker spielt. Außerdem der Schauspieler Clemens Schick, der in "Dogman" von Luc Besson mitwirkt.

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