Team des Kinofilms "Gernstls Reisen - Auf der Suche nach irgendwas" Beim BR Filmbrunch
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Franz X. Gernstl mit seinen Söhnen Jonas Gernstl (links, Regisseur) sowie Oliver Gernstl (Produzent).

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Rückblick: "Gernstls Reisen - Auf der Suche nach irgendwas"

40 Jahre waren Franz X. Gernstl und sein Team im roten Bus unterwegs auf der Suche nach eigenwilligen Typen und Lebensentwürfen, spannenden Geschichten. Jetzt kommt der Rückblick auf dieses Leben vor und hinter der Kamera in die Kinos.

So schön war Fernsehen einmal: Da kam ein junger Mann aus Rosenheim in den Sender - sein Name: Franz X. Gernstl. Und hatte eine Idee. Er würde sich auf den Weg machen und Leute filmen, denen er zufällig begegnete. Am liebsten spontan, er wolle sie mit seiner speziellen Gesprächstechnik ("keine komplizierten Fragen, vor allem zuhören") zum Reden bringen. Über ihren Alltag, ihre Leidenschaften, das Leben und die Liebe, den Tod und Gott und was weiß sonst noch alles.

40 Jahre mit demselben Team unterwegs

Ein Redakteur fand das gut und schickte den Gernstl mit seinem kleinen Team (Kamera- und Tonmann) los. Ohne Quotendruck, ohne Erkenntnisse aus der Medienforschung, ohne von Gremien abgesegnete Treatments - ohne das alles - einfach so. Vielleicht einfach auf der Suche nach Momenten. Manchmal auch nach der Poesie des Augenblicks. Nach dem kleinen großen Unerwartetem. Nach dem Leben.

Seit 40 Jahren sind die drei nun schon unterwegs, immer in gleicher Besetzung: Franz Xaver Gernstl, der Reporter, HP Fischer, der Kameramann, und Stefan Ravasz, der Tonmann - stets in ihrem roten Bus. Mit Georgia beginnt dieser Film. Die drei Männer besuchen die erste große Liebe vom Franz. Inzwischen lebt sie in Irland, als Anthropologin und mit Mann. Verheiratet. Glücklich? Vielleicht. Doch, schon.

Sonnenbrille, Schnauzbart, geföhnte Haare

Wie ein 80er-Jahre-Vorstadtstenz sah er anfangs noch aus, der Franz Xaver Gernstl. Sonnenbrille. Schnauzbart. Geföhnte Haare. Lederjacke. In einer der ersten Folgen seiner TV-Sendung spricht er eine junge Frau irgendwo im Allgäu bei einer Bushaltestelle an. Es ist kühl. Sie trägt einen Trenchcoat. Bis oben hin zugeknöpft. Gernstl schleicht einmal verlegen an ihr vorbei. Dann doch die erste Frage, eine banale Frage: "Wissen Sie, wann der kommt der Bus?"

Und dann tut sich eine Welt auf. Gernstl und sein Team steigen mit ein in den Bus und begleiten die junge Frau. "Leb'n Sie gern da?", fragt der Reporter, und sie antwortet kurz und knapp: "Joah". Hätte Samuel Beckett, der Meister des absurden Theaters, bayerische Stücke geschrieben, dann wohl welche mit solchen Dialogen.

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Gernstl unterwegs nach Jesolo

Die Frau im Trenchcoat kennt die Welt wohl noch nicht, und Gernstl auch nur ein bisschen mehr, aber das kommt schon noch in den nächsten 40 Jahren: Bei den Touren mit dem roten Bus durch Bayern, Deutschland, Europa, den Nahen Osten und die USA sind bislang 200 Dokumentarfilme entstanden, mit einer Gesamtdauer von 150 Stunden. "Gernstl unterwegs" ist eine der am längsten laufenden Sendungen des deutschen Fernsehens.

Im Kino funktioniert die Kompilation aus 40 Jahren jetzt überraschend gut. Die Musik ist speziell für den Film entstanden, bisweilen wäre weniger mehr gewesen. Und auch das Nachdenken über das Machen dieser Reportagen erscheint mitunter etwas redundant. Am schönsten und reichsten sind jene Momente, in denen Franz Xaver Gernstl und sein Team das Glück nicht suchen, sondern sich einfach von ihm finden lassen.

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