Wer auf die Website von René Benkos Signa-Gruppe zur Baustelle der Alten Akademie in der Münchner Fußgängerzone geht, wird sich die Augen reiben: "Ein Herzstück Münchens erstrahlt in neuem Glanz" steht da immer noch geschrieben. Der letzte Eintrag vom 12. Juli 2023 berichtet vom Ende der Rohbauarbeiten. Seitdem folgten eine Pleite und der Baustopp.
Kommerzfreie Zonen in der Fußgängerzone
Wer aktuell an der Alten Akademie in Münchens Fußgängerzone vorbeigeht, geplant als Mix aus Einkaufszentrum und Wohnungen, sieht nichts vom neuem Glanz, sondern blickt vor allem auf eine Investorenruine. Die Alte Akademie – ehedem vom Freistaat meistbietend im Erbbaurecht an einen unsoliden Investor verkauft. Wie es nun weitergeht? Das kann im Moment keiner sagen.
Was sich daraus für die Zukunft lernen lässt? Dass mit all dem, wovon Investoren wie Benko sich Profit versprechen, keine Zukunft geschaffen wird. Es braucht ein neues Nachdenken über urbane Räume, über Besitz, über Grund und Boden im Sinne des Gemeinwohls. Einer wie Hans Hanfstingl von den Altstadtfreunden München hat schon immer gewarnt: "Es muss Orte in der Fußgängerzone geben, die nicht dem Kommerz geopfert sind. Die zeigen, dass es eben keine Verschwendung ist, wenn wertvolle Flächen in der Innenstadt nicht kommerziell genutzt werden."
Es liege jetzt am Staat Bayern und an der Stadt München, Träume von einem neuen Investor aufzugeben, die eigene bittere Mitschuld zu erkennen und aufzuarbeiten, und aus dem Fiasko etwas völlig Neues entstehen zu lassen, heißt es in einem aktuellen Beitrag des Web-Blogs zur Alten Akademie der "Aktion gegen den faulen Zauber". Ja, etwas Neues! Etwa ein Fundraising im Sinne des Gemeinwohls. Die Alte Akademie zurückkaufen für und mit der Bürgerschaft. Wäre das nicht was? Bau, Stadtplanung und Öffentlichkeit neu denken.
Benko-Pleitenparcours
In der bayerischen Landeshauptstadt gibt es viele Baustellen, bewegt man sich etwa von der Schützenstraße bis zum Marienplatz und weiter, tut sich eine Art Benko-Pleitenparcours auf: Da ist das legendäre Kaufhaus Hertie, später Karstadt, am Hauptbahnhof, dann die Alte Akademie, das ebenfalls in Schwierigkeiten steckende Kaufhaus Oberpollinger, das ehemalige Kaut-Bullinger-Haus und nun aktuell noch die Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof, von der noch keiner weiß, was genau das bedeutet, also: Findet sich ein neuer Investor für alle deutschen Filialen?
Galeria-Chef Olivier van den Bossche hoffte am Dienstag bei der Pressekonferenz in Essen auf einen Befreiungsschlag: "Wir haben viele, viele Filialen, die wirtschaftlich sehr gut laufen – und wir wissen auch, wenn wir vernünftige Mieten haben, hat das Warenhaus in Deutschland eine sehr gute Zukunft." Hat also die gute alte Warenhauskultur, deren Aufkommen Émile Zola vor 150 Jahren so großartig in dem Roman "Das Paradies der Damen" beschrieb, noch eine reelle Chance? Oder müssen wir und die Stadtplaner umdenken?
Neue Konzepte gegen die Verödung der Innenstadt
Fest steht: Für die Münchner wäre es fatal, müsste auch noch das Kaufhaus am Marienplatz schließen. Die Verödung der Innenstadt wäre kaum mehr aufzuhalten, solange man nicht stadtplanerisch neue Konzepte entwickeln würde. Dazu kommen ja noch alle anderen Baustellen – die womöglich neu zu bauende Großmarkthalle, ebenfalls ein für die Stadt diffiziles Investorenprojekt, das sogenannte "Sendlinger Loch", ein Wohnbauprojekt eines Investors in der Alramstraße, das geplante Konzerthaus im Werksviertel sowie der sanierungsbedürftige Gasteig.
Zunehmend wird klar – auch im Münchner Stadtrat mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD): Um wichtige Infrastruktur und zentrale, für die Öffentlichkeit bedeutsame Orte sollten die Kommunen und der Freistaat sich in Eigenverantwortung kümmern, statt auf Investoren zu hoffen. Wie jetzt etwa beim Kulturzentrum Gasteig, bei dem alle bisherigen Vorhaben krachend scheiterten. Oft kann es auch Sinn ergeben, einfachere, aber deshalb nicht schlechtere Lösungen zu favorisieren.
Bayreuth: "Haus des lebenslangen Lernens" in ehemaligem Kaufhaus
Ein gutes Beispiel ist Bayreuth: Dort kaufte die Stadt 2008 die ehemalige Filiale der Oberpaur-Modekette am Rande der Fußgängerzone und wandelte das Kaufhaus in ein "Haus des lebenslangen Lernens" um, das seitdem die zuvor verödete Gegend belebt und enorm viele Menschen anlockt. Die Bayreuther Stadtbibliothek RW 21, die in das Gebäude einzog, gehört zu den erfolgreichsten und besucherstärksten in ganz Deutschland. Umbaukosten: unter vier Millionen Euro.
In Zeiten des Klimawandels ist das sowieso der richtige Weg: Stichwort umweltfreundliches Bauen im Bestand, wie es die Bundesstiftung Baukultur in ihrem Bericht "Neue Umbaukultur" angeregt hat. Auch die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk sieht darin die Zukunft und schlägt etwa vor, Büros in Wohnungen umzuwandeln oder auch mal in Lücken zu bauen.
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