Eine Frau schaut gestresst auf Geschenke und Verpackungen. Im Hintergrund steht ein Weihnachtsbaum.
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Die Adventszeit war früher eine Zeit des Fastens und Wartens. Heute muss viel organisiert werden. Wird der Advent zum Besinnlichkeits-Killer?

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Merry Zeitstress: Wird der Advent zum Besinnlichkeits-Killer?

Merry Zeitstress: Wird der Advent zum Besinnlichkeits-Killer?

Die Adventszeit war früher eine Zeit des Fastens und Wartens. Heute muss scheinbar immer mehr organisiert und eingekauft werden. Viele fangen immer früher damit an. Doch wird es so länger stressig statt früher besinnlich?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Seit Jahren verkauft Werner Wesslau Tannen und Fichten. Immer im Advent baut er seinen Christbaumstand im Münchner Glockenbachviertel auf. Dabei beobachtet er seit einigen Jahren: Mehr Kunden kaufen ihren Christbaum früher. Viele schon Anfang Dezember. "Die Bäume sind ja nicht so wahnsinnig günstig", sagt Wesslau. "Und die Leute sagen sich, wenn sie schon so viel Aufwand für Weihnachten betreiben, dass wollen sie auch etwas davon haben."

Eben hat ein junges Paar bezahlt. Die beiden haben sich ein kleines Tannenbäumchen ausgesucht. "Der wird heute Abend noch aufgestellt und dekoriert. Wir wohnen ja selber hier in der Stadt und sind direkt nach Weihnachten bei der Familie und da schauen wir, dass wir den jetzt genießen, solange er frisch ist", sagen sie.

Bräuche im Advent ändern sich

Weihnachtszauber und Weihnachtsstress lägen heute nah beieinander, sagt der Soziologe Jonas Geißler vom Münchner Institut für Zeitberatung. "Wir leben ja in einer Welt, die dazu tendiert, alles gleichzeitig zur Verfügung zu stellen, deshalb gibt es ja im September schon die Lebkuchen", sagt Geißler.

Noch vor einigen Jahrzehnten fasteten viele im Advent. Die Wochen vor Weihnachten waren eine Zeit des Wartens. Den Plätzchenteller etwa gab es zu Großmutters Zeiten erst an Heiligabend. Der Advent wurde mit jeder Kerze am Kranz nach und nach heller, bis an Heiligabend – und erst dann – der Christbaum erstrahlte.

Eine Umfrage von YouGov stellte fest: Rund ein Drittel der Deutschen kauft gar keinen Baum. Aber fast zehn Prozent stellen den Baum schon zum ersten Advent auf. Weitere rund 35 Prozent schmücken ihn schon im Laufe vor Weihnachten auf und nur 17 Prozent warten damit bis zum Heiligabend.

Lange stressig statt früh besinnlich?

Die aktuelle Weihnachtsstudie der Bundeswehruniversität in München, die alljährlich Anfang Dezember veröffentlicht wird, zeigt: Die Deutschen haben wieder mehr Lust auf das Weihnachtsfest und seine Bräuche als in den Corona-Jahren. Aber mehr als ein Drittel der Befragten empfindet die Adventszeit als stressig. 16 Prozent fühlen sich sogar unter Druck, für festliche Stimmung zu sorgen.

Außerdem haben laut der Studie für viele die Advents- und Weihnachtsbräuche ihre religiöse Bedeutung verloren. Damit wird auch deren zeitliche Reihenfolge beliebiger.

Weihnachtsrituale: In Maßen statt in Massen

Grundsätzlich seien Rituale hilfreich, sagt Jonas Geißler. Denn sie unterbrechen den Alltag. "Wir leben ja eher in einer unterritualisierten Zeit", so Geißler. Rituale rund um Weihnachten, wie Kerze anzünden, Stiefel rausstellen oder Adventskalender geben Halt und können für Entschleunigung sorgen.

Aber eben nur, wenn es nicht zu viel davon ist und nicht Ritual auf Ritual auf Ritual folgt, sagt der Zeitforscher: "Ich würde eher raten, die Besinnung im Lassen zu suchen. Gelassenheit finde ich nicht, indem ich noch mehr verdichte, sondern indem ich eher das Gegenteil mache. Und das hängt so ein bisschen davon ab, wie ich definiere, wann ist es denn für mich weihnachtlich und wann ist es auch genug?"

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