Eine Jacke mit der Aufschrift: We dance together. We fight together.
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Protestkultur und Tanzkultur in Tbilisis

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Tanzen und Protest: Der Techno-Club Bassiani in Georgien

Was diesen riesigen Techno-Club in Tiflis so besonders macht? Hier trifft beste Tanzkultur auf ärgste Politik, tapferer Widerstand auf regierungsamtlichen Starrsinn. Und all das in einer alten Schwimmhalle: Willkommen im Bassiani!

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Spätestens seit Georgiens großem Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse vor einigen Jahren, aber auch mit der erneuten Diskussion über einen EU-Beitritt und den Krieg in der Ukraine, ist Georgien wieder ins Bewusstsein der deutschen Bevölkerung gerückt. Das kleine Land zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern versucht - auf dem Weg in die EU - mit seinen teils jahrtausendealten Traditionen zu punkten, wie Wein, Tee und polyphoner Musik.

Techno als Protest

Georgien steht seit einigen Jahren aber auch für eine ganz andere Szene: Techno als Protestbewegung. In der Hauptstadt Tbilisi, unter dem alten Sowjet-Stadion des Fussballclubs Dinamo sind jedes Wochenende weltweit bekannte, aber auch unbekannte Größen der Technoszene zu erleben – aus Deutschland, Skandinavien, London, den USA. Das Highlight: Der Technoclub unter dem Stadion ist eine ehemalige Schwimmhalle. Und: der Undergroundclub mischt sich ein, politisch.

Georgiens bekanntester Techno-Club polarisiert. Ob Jugendliche, Ältere oder die Regierung des kleinen Landes. Wann immer in den Räumen des früheren Schwimmbads unter dem alten Sowjet-Fußballstadion nachts die Bässe wummern, zieht sich eine lange Schlange vor dem Eingang hin und ist die Polizei nicht weit.

Ein Club als Bewegung

"Wenn Du Dir unsere Webseite ansiehst und unsere Social-Media-Kanäle, steht dort unser Manifest und wofür wir stehen. Wo auch immer jemand für Gerechtigkeit kämpft sind wir dabei. Aktuell gerade unterstützen wir die Minenarbeiter, die unter unerträglichen Arbeitsbedingungen leiden und dagegen protestieren. Dasselbe gilt, wenn es um Frauenrechte und Rechte der LGBTQ-Bewegung geht. Es geht um Solidarität, ohne die eine Gesellschaft nicht existieren kann", erklärt Giorgi Kikonishvili, einer der Gründer des Bassiani und Menschenrechtsaktivist.

Ob die Bassianisti nun Minenarbeiter unterstützen, die für mehr Lohn demonstrieren, junge Georgier aus den Gefängnissen holen, die wegen geringster Mengen Cannabis verurteilt werden sollen oder Frauen vor Gewalt schützen – Georgiens weltweit bekannter Musikclub versteht sich ganz offen als politische Bewegung. Und das seit jetzt zehn Jahren:

"Wo auch immer jemand für Gerechtigkeit kämpft sind wir dabei. Aktuell gerade unterstützen wir die Minenarbeiter, die unter unerträglichen Arbeitsbedingungen leiden und dagegen protestieren. Dasselbe gilt, wenn es um Frauenrechte und Rechte der LGBTQ-Bewegung geht", sagt Kikonishvili.

Gemeinsam tanzen, gemeinsam kämpfen

Im Bassiani ist man nicht nur rein lokal im Untergrund, unter dem Fussballstadion, sondern auch programmatisch. Wo sonst könne man Georgiern, aber auch Ausländern einen Ort bieten, wo sie als Schwule, Lesben, Transpersonen, Menschenrechtsaktivisten oder auch Religionskritiker nicht angefeindet werden: "Der Hauptgrund, warum das Bassiani gegründet wurde, war einen Ort zu schaffen, wo alle die von der Gesellschaft nicht akzeptierten Gruppen sich treffen können, sich einander helfen können, sich unterstützen und einfach nur frei sein können. Deswegen ist es heute ein, wenn nicht das Zentrum für soziale Bewegungen in Georgien", sagt Kikonishvili

Bassiani heißt nicht nur, dass da die Bässe, die Bassi, wummern. Im Bassiani-Tal, das heute zur Türkei gehört, wurde im 13. Jahrhundert die legendäre Schlacht unter der ersten und einzigen georgischen Königin erfolgreich gewonnen. "Wir tanzen gemeinsam, wir kämpfen gemeinsam" lautet deshalb auch das Motto des Clubs, ein stilisierter römisch-asiatischer Schlachthelm ziert das Logo, ein Symbol für Georgien als jahrhundertelangem Spielball zwischen Europa und Asien. Nicht nur einmal stand die Polizei vor der Tür, 2018 wurde der Club sogar kurzzeitig geschlossen, Tausende demonstrierten danach vor dem Parlament, die Regierung entschuldigte sich. Die Irritation ist durchaus beabsichtigt, sagt Kikonishvili: "Wir sind nicht einfach nur ein Club, wir verstehen uns als Bewegung, die die derzeitige konservative Gesellschaft irritiert und wachrütteln möchte. Alle, die den alten Traditionen nachhängen und den Status quo erhalten möchten, fühlen sich deshalb von uns angegriffen. Aber wir erleben gerade tiefgreifende Veränderungen."

Konflikt mit den Behörden sorgt für Bekanntheit

Das Bassiani ist eine Bewegung gegen Homophobie, gegen Ungerechtigkeit, gegen die restriktive Drogenpolitik. Einfach gegen Spießertum. Dafür werden die besten und bekanntesten Techno-DJs der Welt eingeladen: Amelie Lens legte schon auf, Byron Yeates, Kancheli, Nina Kravitz, Ben Klock oder die Französin Anetha. Im Herbst geht es auf Welttournee in befreundete Clubs wie das Berghain in Berlin.

In Tbilisi - wenn kein Fussballspiel ist - treffen sich gut 2.000 Technofans Freitag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen in dem alten Schwimmbad. Zwei Tanzflächen - Techno und House-Musik. Ein Ticket erhält man nur online unter Angabe des Names. Damit soll sichergestellt werden, dass der Ort ein Rückzugsort bleibt und weiterhin alternativ, aufmüpfig, gegen den Mainstream. Und manchmal hilft der Konflikt zwischen Behörden und Club sogar, sagt Kikonishvili: "Das Gute an dem Kampf mit der Regierung ist, dass wir immer größer und bekannter werden. Es ist einfach so: Was einen nicht umbringt, macht einen nur noch stärker."

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