Das Museum Lothar Fischer in Neumarkt in der Oberpfalz zeigt derzeit eine Ausstellung der deutsch-norwegischen Künstlerin Verena Issel. Sie ist Preisträgerin des dotierten Lother-Fischer-Preises 2021. Erste Bekanntheit erlangte Issel mit der Aktion "Art Boy 2010", bei der sie männliche Kommilitonen in Aktbildern abbildete, die auf kunstvolle und teils ironische Art Zitate der Kunstgeschichte enthielten. Die Künstlerin arbeitet sonst allerdings mit raumgreifenden Installationen, für die sie gerne auf Styropor, Textilien oder Filz zurückgreift.
Babywindeln und Rollatoren werden zu Kunst
Für ihre Installation im Museum Lother Fischer hat Verena Issel den Hauptausstellungsraum schon im Vorfeld begutachtet. Der Raum wurde speziell für Bildhauer entwickelt, um ihre Skulpturen auszustellen. Verena Issel jedoch spielt mit dem Wechsel von Zwei- und Dreidimensionalität.
Für ihre Rauminstallation hat Verena Issel Haushaltsutensilien und andere Gebrauchsgegenstände, die meistens weiblich konnotiert sind, verwendet. Von Babywindeln, Rollatoren über Küchengeräte bis hin zu Sexspielzeug, platziert Verena Issel diese Gegenstände wie Stillleben auf schwarzem Kartongrund. Bunt, fröhlich und flach.
Diese Flachheit überträgt sie auch auf ihre Skulpturen. Die freistehenden Objekte bestehen jeweils aus zwei Holzplatten, die ineinandergesteckt werden und so nur scheinbar eine dreidimensionale Figur ergeben.
Skulpturen extra für Neumarkter Museum konzipiert
Erstmals hat sie zudem eine Bodeninstallation konzipiert. "Mir war es wichtig, dass sich da etwas in den Raum hoch klappt. Ich wollte aber gerade bei diesem Thema, dass es nicht wirklich räumlich wird, obwohl es skulptural ist, weshalb es Skulpturen sind - extra fürs Lothar Fischer Museum -, die aber flach sind", sagt die Künstlerin.
Künstlerin: modernes Hausfrauentum durch Pandemie
"Backlash" - so der Titel der Installation, kritisiert die Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen. So hat Issel in den zurückliegenden Pandemiejahren einen Wiederaufstieg eines "modernen Hausfrauentums" beobachtet. "Ich glaube, in zwei Jahren wurden die letzten 30 Jahre feministische Bestrebungen vernichtet. Und das war jetzt auch Kerngedanke dieser Ausstellung. Viele der Motive, die wir hier sehen, sind einem Katalog entnommen, den es ernsthaft so gibt. Der heißt: Die moderne Hausfrau. Das ist ein Versandkatalog, aus dem man alles bestellen kann, was die moderne Hausfrau so braucht und da ist auch alles aus dem unbezahlten Segment drin."
Issel hat extra Teppich als Arbeitsmaterial für die Installation ausgewählt, als Sinnbild für das häuslich-private Umfeld. Da die Installation begehbar ist, werden Besucher unweigerlich Teil des Werkes und können sich der gesellschaftlichen Entwicklung nicht entziehen. Aber sie werden sich - so hofft die Künstlerin - den stereotypen Geschlechterrollen bewusst.
Premiere: Issel zeigt erstmals auch Drucke auf Filz
Neben der begehbaren Installation, werden im oberen Geschoss auch Einzelwerke von Verena Issel ausgestellt. Diese sind eine kleine Premiere. Denn es handelt sich hierbei um Drucke. Die Hamburger Griffelkunstvereinigung ermöglichte ihr ein Stipendium, um die Technik der Druckgrafik zu lernen.
Verena Issel wäre aber nicht Verena Issel, wenn sie nicht innovativ mit neuer Technik arbeiten würde. Obwohl ihr alle Experten davon abrieten, hat sie ihre Motive auf Filz gedruckt. Diese Technik fasziniert Verena Issel, weil sie ist sehr weiblich konnotiert. Der Akt des Filzen sei aber ein sehr aggressiver, gewaltsamer Akt.
Dennoch gelingt es der Künstlerin trotz eigentlichen Gewalt des Materials sinnliche Werke entstehen zu lassen. Jedoch lohnt sich bei Verena Issel ein zweiter Blick: Dann wird hinter der verspielten Fassade der gesellschaftskritische Ansatz sichtbar.
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