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TikTok in der Kritik: Kampf um Deutungshoheit im Nahostkonflikt

TikTok in der Kritik: Kampf um Deutungshoheit im Nahostkonflikt

Seit dem blutigen Überfall der Hamas am 7. Oktober wird der Nahostkonflikt auch auf den sozialen Medien ausgetragen. Vor allem TikTok steht dabei immer wieder in der Kritik. Zurecht?

Seit einer knappen Woche ist der vorübergehende Waffenstillstand in Gaza zwischen dem israelischen Militär und der Terrororganisation Hamas wieder vorbei. In den sozialen Netzwerken hingegen hat der Kampf um die Deutungshoheit in dem Konflikt nie nachgelassen. Das digitale Kräftemessen zwischen den Sympathisanten der verschiedenen Konfliktparteien wird begleitet von einer politischen Debatte über die Rolle sozialer Medien. Und hier steht insbesondere TikTok in der Kritik.

Wirbel um TikTok-Statistik

Schon vor den aktuellen Kriegshandlungen im Gazastreifen wurde in den USA über ein mögliches TikTok-Verbot diskutiert. Die Frage, inwiefern TikTok stärker als andere soziale Medien zur Verbreitung antisemitischer Inhalte beiträgt, hat diese Debatte noch einmal verstärkt. Für Aufsehen sorgt eine aktuelle Statistik, die einen Korrelation aufzeigt zwischen TikTok-Konsum und antisemitischen Einstellungen. Neben Elon Musk bezog sich auch die republikanische Präsidentschaftskandidaten Nikki Haley auf die Zahlen und argumentierte am Mittwoch, TikTok würde Antisemitismus "verursachen".

Zahlreiche Beobachter verweisen jedoch auf die geringe Aussagekraft der Studie. Aus den zugrundeliegenden Umfragedaten lasse sich lediglich eine Korrelation ableiten, nicht jedoch ein klarer Kausalzusammenhang.

Auch über Hashtags auf TikTok wird gestritten

Beim Blick auf die Verbreitung bestimmter Hashtags ist jedoch durchaus ein deutlicher Unterschied zwischen TikTok und anderen sozialen Medien erkennbar. Zwar sind auf fast jeder Plattform pro-palästinensiche Hashtags stärker präsent als pro-israelische. Auf TikTok aber ist das Verhältnis besonders ungleich.

So zeigt etwa eine Analyse der Zeit, dass auf Tiktok pro-palästinensische Hashtags über 65-mal mehr verbreitet sind als pro-israelische. Zum Vergleich: Auf Instagram ist das Verhältnis von pro-palästinensischen zu pro-israelischen Hashtags etwa 15 zu 1. Auch andere Untersuchungen zeichnen ein ähnliches Bild. TikTok selbst kritisiert in einem Blogeintrag derartige Analysen als nicht aussagekräftig – und argumentiert, dass das Ungleichgewicht schlicht die Meinung der TikTok-Nutzer widerspiegele.

Doch ein Blick auf andere Themen macht den Unterschied zwischen der chinesischen App und anderen Plattformen noch deutlicher. Ein gerade veröffentlichter Bericht an einen Unterausschuss des US-Abgeordnetenhauses zeigt zum Beispiel, dass Hashtags rund um Tibet oder das Tian’anmen-Massaker weit weniger Verbreitung auf TikTok finden als auf Instagram und Co.

ByteDance, das KI-Unternehmen hinter TikTok, gehört teilweise dem chinesischen Staat – für viele Beobachter ein Beleg dafür, dass die chinesische Regierung aktiv mitbestimmt, wie sich Inhalte auf der beliebten Online-Plattform verbreiten.

Hinter den Hashtags steckt eine Flut an Desinformation

Die Debatte, ob, wie und unter welchen Voraussetzungen Hashtags auf verschiedenen Plattformen miteinander vergleichbar sind, verstellt jedoch den Blick auf das, was sich hinter den Hashtags verbirgt. Durchdachte und reflektierte Debatte ist hier, wie so oft im Internet, eher wenig gefragt, zumindest im Vergleich zu Desinformation, Verkürzungen und gezielter Propaganda.

So kursieren beispielsweise fast täglich neue Videos, die vorgeblich aktuelle Geschehnisse in Gaza zeigen, in Wirklichkeit aber etwa aus Syrien oder anderen Krisenherden stammen – und oft schon Jahre alt sind. Echte Bilder und Videos werden wiederum mit verfälschtem oder irreführendem Kontext versehen. Und sowohl auf TikTok als auch auf anderen Plattformen verbreiten sich immer mehr KI-generierte Bilder, oft erstellt mit bewusster Täuschungsabsicht.

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