Viel zu früh kommen die Zwillinge Luna und Stella zur Welt. Beide Mädchen wiegen nicht ganz 500 Gramm, aber kämpfen um ihr Leben. Als klar wird, dass beide Kinder bleibende Schäden haben werden, suchen die Eltern der Zwillinge, Denis und Andreas Häussler, juristische Hilfe. Sie haben das Gefühl, dass es Behandlungsfehler bei der Geburt gab.
Luna hätte ohne die Ärztefehler wahrscheinlich zumindest etwas sehen können, Stella wäre wahrscheinlich in der Lage, zu sprechen oder auch selbstständiger in ihrer Mobilität.
Fachanwalt für Medizinrecht übernimmt Ersteinschätzung
Ein Fachanwalt übernimmt eine Ersteinschätzung des Falles und holt Gutachten ein. Ob es sich lohnt, vor Gericht zu gehen, hängt auch davon ab, welche Beträge schon einmal erstritten werden konnten. Für ein durch eine falsche Behandlung amputiertes Bein wurden beispielsweise 40.000 Euro gezahlt, bei Geburtsschäden auch schon mal 2,6 Millionen.
Florian Friese aus München ist Fachanwalt für Medizinrecht. Er beschreibt die neu gewonnenen Erkenntnisse: "Bei einem Kind wurde eine Augen-Lasertherapie fehlerhaft angewandt und bei den Folgeuntersuchungen die Verschlechterung nicht gesehen. Beim anderen Kind wurde ein Katheter fehlerhaft gelegt. Da haben Sachverständige bestätigt, dass dieses Verfahren in Deutschland eigentlich nicht mehr angewendet wird."
Ein langer Prozess: Schmerzensgeld bei Behandlungsfehler
Für die Eltern der Zwillinge ist die Schmerzensgeldforderung ein schwerer und langwieriger Prozess, sagt Vater Andreas. "Man muss den Geburtsvorgang immer wieder durchkauen, das ist nicht leicht, weil das damals auch sehr belastend war. Es geht nicht ums Vergessen, sondern um das Erlebte abzuschließen. Und seinen Frieden damit machten."
Luna und Stella sind inzwischen sieben Jahre alt. Die juristischen Termine nimmt Vater Andreas nur noch alleine wahr. Für seine Frau sind die Erinnerungen zu belastend.
Das Leid der Angehörigen anerkennen
Allerdings komme es nicht nur auf das Schmerzensgeld an, sagt Anwalt Friese. Es gehe auch um den Pflege- und Erwerbsschaden. Dies seien oft die viel größeren Positionen. Die Summe soll dann die erlittenen Einschränkungen ausgleichen. Beim sogenannten "Erwerbsausfall" ist auch entscheidend, in welchem sozialen Umfeld Menschen aufwachsen. Leben also als juristische Mathematikaufgabe?
"Es gibt viele Fälle, die einem nahegehen. Bei Geburtsschäden sieht man das Leid der Eltern und der Kinder. Und wir sind dazu da, den Fall zu sehen und dem Patienten und Mandanten der bestmöglich zu beraten", sagt Anwalt Florian Friese.
Die gerichtliche Auseinandersetzung war für die Familie erfolgreich. Wie viel Geld sie bekommen, darüber wird aber noch verhandelt.
Was ist der Mensch wert?
Vater Andreas hat für sich auf die Frage, was der Mensch wert ist, eine Antwort gefunden.
"Ich persönlich denke, man kann dem Menschen keinen Wert geben. Aber man kann monetär die Folgen von den Schäden abfedern. Kein Geld der Welt könnte uns jetzt helfen, dass es den Kindern besser geht oder wieder gut geht, das ist einfach nicht möglich. Da kann man auch keine Summe aufrufen, die das kompensieren würde. Aber man kann die Folgen, die entstehen, die Folgekosten, die kommen, kann man damit abfedern." Gefordert bleiben die Eltern ein Leben lang.
Luna und Stella haben vor zweieinhalb Jahren noch einen kleinen Bruder bekommen. Diesmal ohne Komplikationen.
Mehr zum Thema "Der Wert des Menschen" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.