Trotz der Proteste und Vorwürfe war das Olympiastadion voll: Die Rockband Rammstein hat die ersten beiden von vier Konzerten in München hinter sich gebracht. Während die Band beim Auftritt am Mittwochabend nicht auf die Anschuldigungen gegen Frontmann Till Lindemann einging, sah es beim Konzert am Donnerstag anders aus.
In den sozialen Netzwerken verbreitete sich ein Video, in dem sich die Band vom Publikum verabschiedet. Zunächst fallen die Musiker vor den Zuschauern auf die Knie, dann sagt Till Lindemann: "Wir hatten ein Riesenglück mit dem angekündigten Unwetter. Glaubt mir, das andere wird auch vorbeiziehen."
- Zur Kritik: Rammstein-Konzert in München: Musik, Feuer und treue Fans
Lied fällt weg: Angepasste Setlist wegen Vorwürfen?
Auch der Ablauf soll sich in München, so übereinstimmende Medienberichte, von den bisherigen Konzerten der Tour unterschieden haben: Offenbar hat die Band das Lied "Pussy" gestrichen. Dieses enthält Zeilen wie "Schönes Fräulein, Lust auf mehr? Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr". Bei der Bühnenshow sitzt Lindemann auf einer phallusförmigen Schaumkanone, die in Richtung Publikum feuert.
Im Vorfeld war zudem bekannt geworden, dass es keine Row Zero geben sollte. Aus dieser seien die Frauen, so die Anschuldigungen, gezielt für die Aftershowpartys rekrutiert worden. Das Konzept für diese Feier nach dem Konzert sei ebenfalls geändert, hieß es im Umfeld der Band. Es solle nicht mehr zwei Partys geben - eine große für Fans und Band, eine kleine für Lindemann und Frauen. Künftig solle es nur noch eine Feier nach den Konzerten geben.
Witze über K.o.-Tropfen: "Die Ärzte" in der Kritik
Auch "Die Ärzte" haben sich in der Causa Rammstein zu Wort gemeldet. Kurze Videoausschnitte vom Konzert der Band in Luxemburg, die sich via Social Media verbreiten, zeigen: Die Musiker plädieren für Einvernehmlichkeit. "Das macht man nicht", erklären sie und fügen hinzu "Das ist nicht cool".
Allerdings - und hierfür erntet die Band in den sozialen Netzwerken scharfe Kritik - fallen auch Scherze über Vergewaltigungen: über Frauen, die sich wehren, über K.o.-Tropfen. Sie erwähnen sogar den Rammstein-Frontmann beim Namen: "Alter, wir kriegen so aufs Maul, wenn wir Lindemann treffen."
Festival-Manager: Rammstein wollte Hilfe bei Suche nach Frauen
Zurückzuverfolgen, was womöglich passiert ist, ist nicht ganz einfach - es steht Aussage gegen Aussage. Doch Rammstein soll 2010 die Betreiber eines kanadischen Festivals gebeten haben, Kontakt mit weiblichen Fans herzustellen. Das geht aus einem französischsprachigen Bericht hervor. Die Betreiber hätten abgelehnt, erklärt Samantha McKinley, stellvertretende Chefin im Bereich Kommunikation.
"Wir haben ihnen gesagt, dass das nicht hierher passt", wird Daniel Gélinas zititert, der damals Generaldirektor des "Festival d'été de Québec" war. Das Rammstein-Team habe dann selbst versucht, junge Frauen zu rekrutieren. Die Festivalmitarbeiter hätten sie weggeschickt. "So etwas hatten wir noch nie gesehen. Es ist noch nie bei anderen Künstlern passiert. Die Angestellten waren empört", wird Gélinas zitiert. Auf Anfrage von BR24 war das Management von Rammstein für eine Stellungnahme zu dem Bericht nicht zu erreichen.
"Keine Show für Täter": Rammstein schlägt Protest entgegen
Mehrere Frauen erhoben in den vergangenen Tagen - teilweise anonym - Vorwürfe gegen Lindemann. Die Frauen schildern Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershow-Party kommen wollen. Dort soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Die Frauen seien zuvor aus einem Bereich ganz vorn im Zuschauerraum ausgewählt worden - der sogenannten Reihe Null (engl.: Row Zero).
In München schlug der Band deshalb vor den Konzerten Protest entgegen. Rund 60 Menschen versammelten sich mit Megafon und Transparenten mit Aufschriften wie "Das Opfer ist nie schuld", "Keine Show für Täter" und "Glaubt Opfern sexualisierter Gewalt".
Tausende fordern Absage von Rammstein-Konzerten in der Schweiz
Auch in der Schweiz gibt es Proteste gegen Rammstein: Mehrere Verbände fordern, dass zwei Konzerte am 17. und 18. Juni in Bern abgesagt werden. In einer gemeinsamen Petition von Schweizer Jusos, Frauenschutzverbänden und Friedensorganisationen heißt es: "Die Vorwürfe gegen den Rammstein-Leadsänger Till Lindemann bezüglich sexualisierter Gewalt müssen ernst genommen werden". Der Veranstalter müsse die Sicherheit der Konzertteilnehmerinnen sicherstellen.
Nach nicht einmal 24 Stunden hatten bereits mehr als 3.800 Menschen die Petition unterzeichnet. Der Veranstalter der Konzerte hatte zuvor bereits darauf hingewiesen, dass bisher weder der Band noch einem Bandmitglied strafbare Handlungen nachgewiesen wurden.
"Ausnahmslos unwahr": Rammstein und Anwälte weisen Vorwürfe zurück
In einer Stellungnahme von Rammstein hatte es geheißen, die Vorwürfe hätten die Band sehr getroffen und man nehme sie außerordentlich ernst. "Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt - vor und hinter der Bühne." Weiter hieß es in dem Schreiben: "Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge."
Auch die Band habe aber ein Recht - nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden. Lindemann wies Vorwürfe gegen ihn zurück. Seine Interessen lässt er nun anwaltlich vertreten, die Vorwürfe seien ausnahmslos unwahr. Das gaben die Berliner Rechtsanwalte Simon Bergmann und Christian Schertz bekannt.
Mit Informationen von dpa
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