Es wird als nächster Eskalationsschritt im Russland-Ukraine-Krieg gedeutet: Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine "Teilmobilmachung" angekündigt, bei der 300.000 russische Reservisten einberufen werden.
- Zum Artikel: "Was bedeutet 'Teilmobilmachung'?"
Reaktionen auf die Teilmobilmachung im Netz
Im Netz tummeln sich daraufhin zahlreiche Reaktionen, die ganz unterschiedliche Aspekte beleuchten. Immer wieder ist etwa von einem "Zeichen der Panik" zu lesen, Putin stehe "mit dem Rücken zur Wand". Doch die Maßnahme hat direkte Auswirkungen für die Russen: So schilderte eine Userin auf Twitter, auf eine Nachricht von ihrem Bruder aus Russland zur Teilmobilisierung folgten Telefonate mit Freunden und der Familie. "Keiner will kämpfen, alle überlegen, wie man fliehen kann."
Nicht selten sehen Internetnutzer die Reservisten als "Kanonenfutter". "Was sagt denn die russische Bevölkerung dazu, dass Putin ihre Kinder töten lässt?", fragte jemand. "300.000 Leute als Kanonenfutter für die ukrainische Armee. Purer Wahnsinn", schrieb ein Kommentator unter einem BR24-Artikel am Mittwochvormittag - und zieht auch den Vergleich zum Zweiten Weltkrieg: "Erinnert an Hitler in den letzten Kriegstagen. Ich hoffe auf den Widerstand im russischen Volk."
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Wie reagiert die russische Bevölkerung?
Nicht nur diese Person hofft auf eine Rebellion der Russen: "Ziviler Ungehorsam wäre angesagt", schlussfolgerte ein BR24-User. Schon die Sanktionen des Westens nach Kriegsbeginn hatten unter anderem das Ziel, die Bevölkerung gegen den Machthaber in Russland aufzubringen. Doch die russische Regierung sorgte immer wieder mit schärferen Gesetzen und Strafen für Gegenmaßnahmen.
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Widerstand im Kreml?
"Warum formiert sich da immer noch kein Widerstand im Kreml? Hat der wirklich jeden Gegner einsperren oder 'verunfallen' lassen?", fragt ein BR24-Kommentator und meint damit Nachrichten der vergangenen Monate, wonach wichtige Russland-Vertreter plötzlich ums Leben kamen. "Ja, die Repressalien durch den Kreml wirken beim Volk, genauso wie die Dauerbeschallung durch die gleichgeschaltete Propaganda", reagierte ein anderer darauf.
Zahlreiche Russen versuchten in der vergangenen Zeit aber auch, aus ihrem Land zu fliehen. Nach der Ankündigung der Teilmobilmachung wuchs in Russland Internet-Daten zufolge auch rasant die Nachfrage nach One-Way-Flügen. Doch nach dem Befehl müssen sich Russen im wehrpflichtigen Alter nun laut Gesetz an ihrem Wohnort aufhalten.
Forderung nach Waffenlieferungen aus Deutschland
Auch die Angst um Nachbarstaaten der Ukraine, wie Moldau und das nahe gelegene Georgien, wächst, sollte die Unterstützung für die Ukraine jetzt nachlassen. Die Diskussion in Deutschland rund um Waffenlieferungen könnte noch einmal angeheizt werden. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will jedoch bislang "keine Alleingänge".
Doch im Netz waren am Mittwoch Forderungen zu lesen, jetzt noch mehr Waffen zu liefern, um "das alles" schnellstmöglich zu beenden. "Wann verkündet Scholz endlich die Ganzunterstützung der Ukraine?", will ein User auf Twitter wissen. Der Kanzler warf in der Nacht in seiner Rede vor den Vereinten Nationen Putin noch "blanken Imperialismus" vor.
Wie rüstet Putin die Soldaten aus?
Neben der Ausrüstung für die Ukraine ist aber auch abzuwarten, wie Russland die neuen Soldaten ausrüsten wird: "Erstens stellt sich die Frage, ob es Putin gelingt, wirklich so viele Reservisten zu mobilisieren und zweitens müssen diese auch ausgerüstet werden." Geheimdienste berichten schon länger über veraltete Ausrüstung der Russen. Dennoch verfügt das Land generell über viel Feuerkraft und wurde vor allem zu Beginn des Krieges immer als militärisch überlegen gegenüber der Ukraine eingestuft.
Kampfmoral der Reservisten: "Jetzt schon Probleme"
Manche erwarten aber eine ähnlich niedrige Kampfmoral der Reservisten wie die, die den derzeit kämpfenden Soldaten nachgesagt wird. Putin habe "jetzt schon Probleme, seine Soldaten mit Treibstoff, Waffen, Munition und Nahrung zu versorgen", heißt es in Kommentaren.
Die Teilmobilmachung folgt auf eine empfindliche Niederlage für Russland - die russischen Truppen zogen sich nach ukrainischen Angriffen zuletzt fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück. Trotzdem betonte die russische Militärführung immer wieder, dass alles nach Plan laufe und alle Ziele erreicht würden. Mit dem weiteren Schritt will Putin auch das Personalprobleme an der Front lösen.
Letzte Chance für Verhandlungen?
Ist nun also die letzte Möglichkeit für eine Verhandlungslösung? Diese Frage kommt im Netz ebenfalls auf. Doch schon vor Putins Ankündigung sah die Ukraine, sahen aber auch viele andere für Verhandlungen in dieser Situation keinen Spielraum.
Bleibt der Blick in die Zukunft: "Die russische Teilmobilmachung stellt in diesem Krieg eine neue Eskalationsstufe dar. Für Putin ist das gleichermaßen Chance wie Risiko, für die Ukraine eine große Gefahr. Ist dieser Schritt die Vorbereitung auf eine große russische Offensive im Frühjahr?", fragt ein weiterer User auf Twitter.
Angst vor einem Atomkrieg
Damit einher gehen auch die vielen Reaktionen, die unter dem Hashtag "Atomkrieg" einlaufen. Bei manchen steigt die Angst. Denn Putin kündigte an, Russland werde alle Mittel einsetzen, um seine territoriale Unversehrtheit zu schützen. Er erwähnte auch die Atomwaffen. Putin hatte das strategische Nukleararsenal bereits in erhöhte Bereitschaft versetzen lassen - zur Abschreckung für die Nato, sich in der Ukraine einzumischen.
Doch es gibt auch Stimmen in die andere Richtung, die jedoch ebenfalls weitere Eskalationen befürchten. Etwa diese: "Einen Atomkrieg halte ich vorerst für weniger wahrscheinlich als einen konventionellen Krieg in Mitteleuropa, sofern die Lage weiter eskaliert, wovon ich ausgehe. Die russischen Ressourcen werden in absehbarer Zeit nicht erschöpft sein, falls das jemand hofft."