Die bayerische Staatsregierung will den Klimaschutz voranbringen - und hat sich dafür mehr als 120 einzelne Maßnahmen ausgedacht. Eine davon sorgt gerade für ein bisschen Aufsehen: Der sogenannte Ökotoken. Die Idee der erstmals 2019 erwähnte Maßnahme: Bürgerinnen und Bürger in Bayern sollen für klimafreundliches Verhalten einen oder mehrere Punkte bekommen, die man dann bei Kulturveranstaltungen einlösen kann. Ein Beispiel: Wer viel mit dem Zug oder der Bahn fährt, sammelt Öko-Punkte und darf dann umsonst in eine Ausstellung oder ins Konzert.
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AfD fühlt sich an Chinas Sozialkredit-System erinnert
Obwohl über die konkrete Ausgestaltung noch sehr wenig bekannt ist, sieht die AfD-Landtagsfaktion im digitalbasierten Ökotoken "ein staatliches System zur Verhaltenskontrolle, ähnlich dem chinesischen Sozialkredit-System." Deswegen beantragte die AfD-Fraktion vergangene Woche im Landtag die ersatzlose Streichung des Ökotokens, fand dafür aber keine Mehrheit.
Der Vergleich hinkt allerdings: Im chinesischen Sozialkredit-System fließen Daten aus verschiedenen Quellen wie amtliche Daten, Videoüberwachungs-Aufnahmen, Sprachaufnahmen, Chatverläufe oder GPS-Daten an einer zentralen Stelle zusammen. Ein vom Staat programmierter Algorithmus wertet diese Daten aus und vergibt Pluspunkte für erwünschtes Verhalten und Minuspunkte für falsches oder strafbares Verhalten.
Keine zentrale Datenspeicherung geplant
Davon kann beim Ökotoken keine Rede sein. Erstens ist die Teilnahme freiwillig, zweitens geht es nur um eine Belohnung für klimafreundliches Verhalten und drittens sollen nach Auskunft des bayerischen Digitalministeriums "keinerlei Daten zentral gespeichert werden". Es werde geprüft, ob der Ökotoken auf Basis der Blockchain-Technologie umgesetzt werde. Die Blockchain beruht ja gerade darauf, dass die Daten nicht zentral, sondern dezentral gespeichert werden.
In der Praxis könnte das so funktionieren: Eine Frau fährt mit dem Zug nach Nürnberg, bei der Fahrkartenkontrolle erhält sie vom Schaffner einen Ökotoken, eine Art digitalen Stempel, der in einer App auf dem Smartphone der Frau gespeichert wird. Und zwar nur dort. Es soll kein Token-Register geben, in dem Daten darüber gespeichert werden, wie lange die Frau im Zug war oder wohin sie gefahren ist.
Ähnliche Projekte in Wien und Bologna
Ein ähnliches System wird in Wien getestet. Beim Wiener Kultur-Token misst eine App mittels Motion-Tracking aktiv zurückgelegte Wege und erkennt automatisch, ob man zu Fuß geht, mit dem Rad fährt oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt. Daraufhin berechnet die App anhand von Daten des Umweltministeriums, wie viel CO2 man so individuell im Vergleich zu einer herkömmlichen Autofahrt eingespart hat. Dafür gibt es dann freien Zugang zu Kulturveranstaltungen. In Bologna gibt es ab Herbst das "Smart Citizen Wallet". Wenn man den Müll richtig trennt, mit dem Zug oder Bus reist, erhält man Punkte auf sein Konto.
Konkrete Ausgestaltung in Bayern noch unklar
Wie der bayerische Ökotoken konkret aussehen soll, darüber ist aber noch sehr wenig bekannt. Das Digitalministerium verweist auf die noch laufende Prüfung, ob die Ökotoken-Idee tatsächlich mit einer Blockchain umgesetzt werden soll. Auch zum Zeitplan sagt das Ministerium nichts Konkretes. Im Maßnahmenpaket zur bayerischen Klimaschutzoffensive vom November 2021 ist der Ökotoken weiterhin aufgeführt, die Umsetzung soll “ab 2022” erfolgen.
SPD: Ökotoken nichts mehr als Ankündigung
Annette Karl, Digitalisierungs-Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, ist da skeptisch: "Da es bis jetzt nichts Vorzeigbares zum Projekt gibt, ist davon auszugehen, dass es eine der typischen Ankündigungen der Staatsregierung war: ein Schlagwort, welches man irgendwo gehört hat und das gut klingt, modern und irgendwie 'klimafreundlich'", sagte sie auf BR24-Anfrage. Was der Ökotoken genau werden solle, ob es nun ein "Belohnungs- oder Anreizsystem" sein soll, sei immer noch nicht klar. "Ich erwarte, dass es wie viele andere Ankündigungen der Staatsregierung irgendwann im Orkus des Vergessens verschwindet", so Karl.
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