Auch die Verantwortlichen von Facebookseiten tauschen sich untereinander aus – in Facebookgruppen, die zum Beispiel "Fanpage Admins" heißen. Dort gab es in den letzten Tagen vor allem ein Thema: Teils hunderte Beiträge pro Seite, darunter vor allem Bilder (sogenannte Sharepics), wurden auf einen Schlag "im Feed herabgestuft" und damit in ihrer Reichweite eingeschränkt, mit unterschiedlichen Begründungen.
Verstöße: Pinselschweine, Hobbybäcker, Lokalzeitungen
Beispiele aus dem gesamten deutschsprachigen Raum waren etwa ein Rezept für Buttermilchbrot, das folgende Meldung erhielten: "Unsere Technologie hat gezeigt, dass dieser Beitrag anderen Beiträgen ähnelt, die gegen unsere Gemeinschaftsstandards zu Gewalt und Anstiftung zu Gewalt verstoßen."
Der Admin mehrerer Fanpages des 1. FC Kaiserslautern bestätigte, dass auch auf den von ihm betreuten Seiten vor allem Bildbeiträge rückwirkend bis letzten Donnerstag beanstandet wurden. Ähnlich erging es einem Tierfoto des Tierparks Hellabrunn in einer Tierpark-Fangruppe sowie auch dem Freisinger Tagblatt mit einem Bericht über die Zollinger Bürgerversammlung: Beiden warf man jeweils "Gewaltdarstellende und drastische Inhalte" vor. Immerhin die Pinselschweine wurden schnell wieder rehabilitiert.
Auch betroffen: Cannabis, Ramadan, Holocaustgedenken
Die Bandbreite der von BR24.de geposteten und von Facebook bemängelten Inhalte erstreckt sich über Sharepics zur Cannabislegalisierung über das Ende des Ramadan bis hin zum Holocaust-Erinnerungsprojekt "Die Rückkehr der Namen". Warum wurden all diese Beiträge über Tage erst eingeschränkt und dann teils wieder nicht mehr?
Facebook verweist auf seinen Hilfebereich
BR24 sendete eine Anfrage an Facebook, warum dies so geschehen ist, welche spezifischen Kriterien oder Algorithmen Facebook dabei verwendet, ob nach bestimmten Inhalten oder Keywords entschieden wird und wie Facebook die Auswirkungen solcher Reichweiteneinschränkungen auf die journalistische Arbeit und die Informationsfreiheit beurteilt. Darauf antwortete man uns mit einem Verweis auf den Hilfebereich [externer Link].
Ist der neue Politikfilter übereifrig?
Aus den teils auf 2023 und 2021 datierten Hilfeseiten erschließt sich lediglich, dass viele der monierten Postings wohl aus Sicht der "Technologie" gegen die "Richtlinien zu Hassrede" verstoßen haben: "Wir definieren Hassrede als direkte Angriffe auf Personen aufgrund deren Herkunft, Ethnie, Nationalität, Religion, sexueller Orientierung, Kaste, Geschlecht, Geschlechtsidentität und Erkrankungen oder Behinderungen", heißt es in der Definition dessen.
"Politikfreie Zone" um jeden Preis?
Bereits im Februar kündigte der Meta-Konzern an, vor allem Instagram und Threads im Superwahljahr 2024 zur "politikfreien Zone" erklären zu wollen und ihre Algorithmen entsprechend umzubauen. Im Zuge dessen wurde auch ein Umbau des Facebook-Algorithmus angekündigt. Das Ziel des übereifrig wirkenden neuen Inhaltefilters ist sehr wahrscheinlich sowohl, proaktiv jegliche Konflikte mit Hate-Speech-Gesetzen zu vermeiden, als auch Werbekunden ein möglichst konfliktfreies Umfeld auf der Plattform zu bewahren.
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