Fast jede und jeder Fünfte hat schon einmal digitalen Hass erlebt, so heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom Ende vergangenen Jahres. Häufig treffe es Frauen, ethnische und religiöse Minderheiten, Menschen mit Einschränkungen oder Schwule und Lesben.
- Zum Artikel "Aktion gegen Hass im Netz: Bayern-Stars lesen Hasskommentare vor"
Mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt will die Regierung künftig die Rechte der Betroffenen stärken. Das geht aus dem Eckpunkte-Papier des Bundesjustizministeriums hervor, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.
Richter können Accountsperren anordnen
Bei wiederholten persönlichen Angriffen in sozialen Medien sollen Richter künftig Nutzerkonten sperren lassen können. Allerdings gibt es dafür eine Reihe von Bedingungen. Es muss eine "schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung" vorliegen. Außerdem muss die Sperre verhältnismäßig sein - was richterlichen Ermessensspielraum ermöglicht.
Außerdem soll eine Accountsperre nur erfolgen, wenn andere Möglichkeiten - etwa die Löschung eines Posts - nicht ausreichen und "Wiederholungsgefahr" besteht. Wenn ein Richter eine Accountsperrung anordnet, muss die jeweilige Plattform den Accountinhaber darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Die Sperrung ist temporär und soll "nur für einen angemessenen Zeitraum" erfolgen.
Mehr Auskunftsrechte für Betroffene digitaler Gewalt
Damit Betroffene von digitaler Gewalt ihre Rechte leichter durchsetzen und weiteren Rechtsverletzungen besser vorbeugen können, will die Regierung Auskunftsrechte stärken. Bislang erhalten sie von den Plattformen häufig falsche Namen oder E-Mail-Adressen. Künftig sollen sie bei Social-Media-Plattformen, Messengerdienste und Telekommunikationsunternehmen auch die Herausgabe von IP-Adressen verlangen können. Allerdings nur, wenn ein Gericht das anordnet. Zudem soll das Auskunftsverfahren über bisherige Anlässe wie Beleidigung oder Bedrohung hinaus ausgeweitet werden.
Mit diesen Maßnahmen würde das Gesetz gegen digitale Gewalt über das bislang geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz hinausgehen. Das NetzDG sieht unter anderem vor, dass man die Löschung eines ehrverletzenden Inhalts beantragen kann. Der Anspruch richtet sich aber nur gegen den Inhalt und nicht gegen den Account, der ihn postet.
NGOs kritisieren Gestaltung der Accountsperre
Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte begrüßte das Vorhaben grundsätzlich, kritisiert aber, dass ein Täter digital erst mehrfach aktiv sein muss, damit eine Sperre in Betracht kommt: In der analogen Welt gebe es bei Fehlverhalten auch sofort Sanktionen, die Verhältnismäßigkeit könne man über die Dauer der Accountsperre regeln. "Wer also zum ersten Mal auffällig wird, wird beispielsweise nur kurz gesperrt", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.
Josephine Ballon von HateAid, einer Hilfsorganisation für Betroffene von digitaler Gewalt, befürchtet, dass eine Accountsperre nur dann greifen würde, wenn über ein Profil mehrfach eine bestimmte Person attackiert werde. Accounts, die ihren Hass auf verschiedene Opfer verteilen oder Volksverhetzung betrieben, würde man damit nicht erreichen. Solche Fälle seien aber im digitalen "Alltag" eher die typischen.
Gesetz soll Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen
Auf das Gesetz gegen digitale Gewalt haben sich SPD, Grüne und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Das Eckpunkte-Papier ist allerdings erst der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!