Ein Mann sitzt vor einem Bildschirm, auf dem ein Binärcode läuft.
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Verurteilte können als sogenannte Weisung die Bewährungsauflage bekommen, nicht ins Internet gehen zu dürfen. Ist das sinnvoll? (Symbolbild)

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Internetverbot als Bewährungsauflage - Wie sinnvoll ist das?

Internetverbot als Bewährungsauflage - Wie sinnvoll ist das?

Für viele ist das Internet ein täglicher Begleiter. Doch es gibt Fälle in Deutschland, da müssen Verurteilte im Rahmen ihrer Bewährung auf den Zugang verzichten. Das kann verhältnismäßig sein, haben Gerichte entschieden. Doch es kommt auf Details an.

Manche Kinder kennen Internetverbote, verhängt durch die Eltern. Doch kann es auch verurteilte Erwachsene treffen? Als Strafe kennt das deutsche Recht Internetverbote nicht. Freiheits- und Geldstrafen sind hier die Hauptmaßnahmen, erklärt Mohamad El-Ghazi von der Universität Trier im Gespräch mit BR24.

Internetverbot als Weisung bei Bewährung

Wenn aber beispielsweise jemand auf Bewährung vorzeitig das Gefängnis verlassen darf, kann ein Internetverbot als sogenannte Weisung ausgesprochen werden. Laut Strafgesetzbuch können Gerichte dem Verurteilten Weisungen erteilen, "wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen". Wenn Verurteilte also zum Beispiel kinderpornografische Inhalte verbreiteten oder wegen Verleumdung bestraft wurden, könnte ein Internetverbot naheliegen.

Viele erteilte Verbote betreffen das gesamte Internet, manche beschränkten sich nur auf "Soziale Medien". Internetverbote begegnen einem aber nicht täglich, erklärt El-Ghazi, Professor für Strafrecht, und schätzt die Größenordnung der ihm bekannten Fälle als "nicht allzu zahlreich" ein. Einige bekanntere Beschlüsse, in denen über Beschwerden entschieden wurde, liegen auch schon ein paar Jahre zurück.

Für die Dauer der Weisung gibt es prinzipiell keine Vorgaben. "Ein Internetverbot zwischen ein und sechs Monaten, das kann verhältnismäßig sein, das sehen die Gerichte zumindest so", sagt El-Ghazi.

OLG Hamm: "Keine unzumutbaren Anforderungen"

Ein Beispiel: 2015 beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit einer solchen Weisung. Nachdem ein Mann zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt hatte, wurde der Rest zur Bewährung ausgesetzt. Im Rahmen einer Auflage durfte er keinen Internetanschluss betreiben, vorhalten oder nutzen.

Nur bei einer Umschuldung hatte er in den Schulungsräumen Internetzugang. Das OLG entschied, dass dies "keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten" ist. Wäre dies der Fall, dürfte eine Weisung laut Strafgesetzbuch nicht verhängt werden.

Strafrecht-Experte skeptisch: Resozialisierung in Gefahr?

Der Betroffene begründete seine Beschwerde mit mehreren Argumenten. So beklagte er, dass die Kommunikation ohne Internet praktisch unmöglich sei, auch mit Behörden. Das Gericht erklärte jedoch, dem Betroffenen stünden genügend andere Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, sei es per Telefon, Brief oder persönlichen Absprachen. Außerdem könne sich der Verurteilte weiter über Zeitungen, im Radio oder Fernsehen informieren, die Weisung verstoße also nicht gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit.

El-Ghazi ist vom Internetverbot dennoch nicht so überzeugt, wie er sagt. "Man muss sehen, wofür das Internet noch da ist. Das ist ja nicht nur zur Freizeitgestaltung." Auch berufliche Zwecke spielten eine Rolle: "Am Ende des Tages ist ja niemandem geholfen, wenn er zum Beispiel keinen Job finden kann, weil er bestimmte Internetportale nicht nutzen kann", so El-Ghazi. Schließlich ginge es darum, die Betroffenen von zukünftigen Strafen abzuhalten, da schade solch ein Verbot der Resozialisierung, meint er. "Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, aber es sind gewisse Einschränkungen damit verbunden."

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Jobsuche ohne Internet - mit Gedrucktem und vor Ort

Auch das OLG Hamm ging in seinem Beschluss auf die Jobsuche ein: So stehe es dem Verurteilten frei, Dritte zu bitten, ihm zum Beispiel Stellen- oder Wohnungsanzeigen auszudrucken. Oder er habe die Möglichkeit, Jobcenter vor Ort zu nutzen.

Die Sichtweise der Richter aus Hamm, dass die Internetnutzung - zumindest im Jahr 2015 - noch nicht existenzwichtig sei, verteidigten sie auch mit dem Verweis auf den Anteil der Internetnutzer generell in Deutschland, der 2014 bei knapp 62 Prozent gelegen habe.

Verbot ist schwer zu kontrollieren

El-Ghazi sieht das Vorgehen aber auch wegen der mangelnden Kontrollierbarkeit kritisch. Soll ein Bewährungshelfer den Browserverlauf kontrollieren? Gibt es für ihn unbekannte Geräte im Haus? Woher weiß er, dass der Betroffene nicht das WLAN des Nachbarn nutzt?

Wie so oft im Bereich der Justiz steht auch hier die konkrete Formulierung im Fokus. Was fällt alles unter "das Internet"? Auch Smart-TV und Smartphone mit Messenger-Diensten? Ebenfalls im Jahr 2015 sah das Landgericht Nürnberg eine Internetverbotsweisung jedenfalls als "nicht hinreichend bestimmt" an. Damals hieß es: "Der Angeklagten wird auf die Dauer der Bewährungszeit die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet – wie z.B. facebook und Twitter – verboten."

Das Gericht monierte die weite Formulierung "Nutzung": "Allein der Aufruf solcher Seiten wird die Verurteilte nicht zu neuerlichen Straftaten verleiten", befand das Gericht. Und auch unter den Begriff "Soziale Netzwerke" falle eine Vielzahl von Seiten - nach Ansicht des Gerichts hätte es konkrete Angaben zu Seiten gebraucht.

Internetverbot wie Fahrverbot sehen?

Internetverbot als Strafe sieht das deutsche Recht aktuell also nicht vor. Doch wäre es als Nebenstrafe geeignet, so wie das Fahrverbot? "Autofahren ist wichtig, aber Internetsurfen in diesem Zeitalter...", da sieht El-Ghazi doch noch mal eine andere Dimension. "Man würde Menschen wirklich isolieren. Da muss man fragen, inwiefern das sinnvoll ist."

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