Kaum eine Modemarke macht so aggressiv Werbung wie Shein. Bis vor Kurzem war Shein vor allem jungen Leuten ein Begriff - nun weitet die Marke ihre Kampagne auch auf ältere Menschen aus. Überall in Europa eröffnet der Modegigant Popup-Stores. In Madrid kampierten Menschen stundelang, um als erstes in den Laden zu dürfen. Danach bildete sich eine Schlange, die mehrere Wohnblöcke umfasste.
Neben omnipräsenter Social Media-Werbung basiert der Shein-Erfolg vor allem auf Niedrigstpreisen und ständig neu erscheinende Rabattaktionen und Rabattcodes. Wer die Shein-Website zum ersten Mal besucht, wird auf der ersten Seite gerne mal mit nicht weniger als sieben Rabatt-Anzeigen begrüßt.
Was ist Shein?
Für einen Online-Shop, der so auffällig daherkommt, ist über Shein erstaunlich wenig bekannt. Selbst Kundinnen und Kunden, die selbst gerne auf Shein bestellen, sind sich oft nicht sicher, wie man die Marke ausspricht. Richtig ist übrigens: "She (wie das englische Wort für "sie") In".
Wie sein Mutterkonzern Shenzhen Globalegrow E-Commerce ist Shein ein chinesisches Unternehmen. Allerdings vertreibt der Online-Shop seine Kleidung auf der ganzen Welt. Die Sendungen kommen aus Asien - deshalb dauern die Lieferzeiten in der Regel länger als bei der europäischen Konkurrenz. Dennoch ist Sheins Methode erfolgreich: In Googles Play Store wurde die App über 100 Millionen Mal heruntergeladen. Und laut dem Analyseportal SimilarWeb ist Shein aktuell die erfolgreichste Fashion-Seite der Welt.
Sheins Geheimniskrämerei hat Methode. Jahrelang war nicht einmal der Name des Gründers Chris Xu bekannt. Mehr Informationen könnten ans Licht kommen, wenn Shein an die Börse geht. Chinesischen Medienberichten zufolge plant das Unternehmen, eine Aktiengesellschaft zu werden. Der Unternehmenswert wird aktuell auf stolze 100 Milliarden Dollar geschätzt, da ist mehr als Zara und H&M zusammen.
Warum ist Shein so erfolgreich?
Ein Grund für den großen Erfolg des Online-Shops: Shein macht Fast Fashion schneller als alle anderen. Einer Pressemitteilung zufolge nimmt Shein jeden Tag 500 neue Kleidungsstücke ins Sortiment. Die Designs sind immer im Trend - auch, weil das Unternehmen bekannt dafür ist, Designs von anderen Marken zu kopieren.
Die Shein-App, die vor allem bei jungen Leuten beliebt ist, erinnert zudem weniger an eine klassischen Shopping-App, sondern mehr an ein soziales Netzwerk oder ein Smartphone-Spiel. So bekommen Nutzer beispielsweise Punkte, wenn sie die App einmal täglich öffnen oder Reviews schreiben. Diese Punkte lassen sich später in Gutscheine umtauschen.
Vor allem spielt aber der Preis eine Rolle: In Sachen Billig-Mode unterbietet Shein selbst Konkurrenten wie Primark. Jeansjacken gibt es hier ab 20 Euro, Pullover gerne mal für unter 6 Euro. Und das noch bevor einer der zahlreichen Rabattcodes eingelöst wurde, mit denen Shein offensiv wirbt.
Shein dominiert Social Media
Auf Instagram hat Shein über 25 Millionen Follower. Und mit dem "Shein Together Fest" hat die Marke bereits zweimal ein digitales Musikfestival veranstaltet - zu Gast waren Weltstars wie Lil Nas X und Katy Perry.
Auf TikTok und YouTube sind sogenannte Shein-Hauls beliebt - Videos, in denen Mode-Fans ihre Käufe vorstellen und anprobieren. Bezahlt ist diese Art Werbung eher nicht. Anders ist es bei Influencer-Werbung - und auch hier ist Shein sehr aktiv.
In Deutschland haben zahlreiche bekannte Influencerinnen schon für Shein geworben, darunter Bianca Claßen, besser bekannt als Bibisbeautypalace. Bei diesen Werbeaktionen werden gern einmal 500 Euro-Gutscheine für den Online-Store verlost. Das reicht für ungefähr 83 Pullover.
Shein-Kunden sind nicht immer glücklich
Doch hinter dem farbenfrohen Auftreten des Online-Shops steht auch eine lange Liste von Beschwerden - und Fragen, ob Shein immer seriös ist. Auf der Bewertungsseite Trustpilot geben 25 % der Nutzer Shein die Bewertung "ungenügend". In den dort veröffentlichten Erfahrungen werden vor allem schlechte Qualität der Kleidung und Schwierigkeiten bei der Lieferung bemängelt. Oft kämen Pakete auch überhaupt nicht an.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in einer Mitteilung Kunden von der Nutzung einiger chinesischer Online-Shops abgeraten - darunter Shein. Die "vermeintlichen Schnäppchen aus Fernost" würden sich oft von den abgebildeten Produkten unterscheiden - auch sei wegen der großen Distanz der Kundenservice mangelhaft und Rücksendungen nur schwer möglich.
Das sorgfältig aufgebaute öffentliche Image von Shein hat bereits einige Male Kratzer bekommen. So etwa 2018, als Daten von 6,4 Millionen Shein-Kundenkonten von Hackern erbeutet wurden. Auch musste sich Shein 2020 dafür entschuldigen, im Shop eine Kette mit Hakenkreuz-Symbol verkauft zu haben.
Produziert Shein ethisch?
Bei billig produzierter Kleidung aus Asien steht oft der Verdacht im Raum, dass sie unter schlechten Arbeitsbedingungen oder sogar von Kindern hergestellt worden ist. Ob das bei Shein auch so ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, weil die Lieferketten und Produktionsbedingungen von Shein nicht transparent gemacht werden. Hier kommen die zwei wichtigsten Eigenschaften des Unternehmens zusammen: Seine niedrigen Preise und seine Verschwiegenheit.
Offiziell distanziert sich Shein auf seiner Website von ausbeuterischer Arbeit und bekennt sich zu Grundsätzen wie Nachhaltigkeit. So heißt es dort beispielsweise: "Außerdem sind wir stolz darauf, dass wir die strengen Standards für faire Arbeitsbedingungen einhalten, die von internationalen Organisationen wie SA8000® festgelegt wurden." Was dabei fehlt: Ein Hinweis, dass diese Arbeitsbedingungen auch von unabhängigen Institutionen überprüft werden.
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