Wer sein Smartphone nachts immer in Griffweite hat, kennt das Phänomen womöglich: Kurz vor dem Einschlafen noch mal die Schlagzeilen überfliegen, dann die drei Benachrichtigungen bei Instagram checken. Drüben bei Threads hat auch jemand was Interessantes gepostet und – na sieh mal, was ist das hier für ein Thema? Auweia, da wird aber heftig diskutiert. Und schon ist mindestens die erste Tiefschlafphase verschwendet mit dem, was oft auch "Doomscrolling" genannt wird.
Doomscrolling raubt uns sprichwörtlich den Schlaf
Schlafexperten raten sowieso davon ab, das Smartphone mit ins Bett zu nehmen. Das endlose Scrollen durch Nachrichten- und Social-Media-Feeds ist allerdings weder auf einen Ort noch eine Tageszeit beschränkt: Das sprichwörtliche Verderben (englisch: doom) kann uns potentiell überall ereilen und Menschen in eine Existenzkrise stürzen. Wie genau, das hat ein internationales Forscherteam untersucht und seine Ergebnisse im Journal of Computers in Human Behavior Reports (externer Link) veröffentlicht.
Existenzangst, Misstrauen und Verzweiflung
Konkret untersucht wurde der Zusammenhang zwischen einem "problematischem Medienkonsum" (vor allem von negativen Nachrichten und etwa Hass-Kommentaren) und dessen Auswirkung auf die Studienteilnehmer: Inwiefern Doomscrolling also zu Existenzängsten führt und dazu, die eigenen Mitmenschen als schlecht und die Welt als ungerecht wahrzunehmen.
Eine Quelle "indirekten Traumas"
An der Studie nahmen 800 Universitätsstudenten sowohl aus den USA als auch aus dem Iran teil. Daraus ergaben sich teils kulturell unterschiedliche Auswirkungen, im Iran verursacht Doomscrolling etwa spürbar mehr Menschenhass, beschreiben die Macher der Studie. Doch bei allen lässt sich laut Studie beobachten, dass Doomscrolling eine "Quelle indirekten Traumas" darstellt: Sie bekommen das Leid vieler, vieler anderer Menschen aus zweiter Hand mit.
Aus Angst, etwas zu verpassen
Warum wir überhaupt zum Doomscrolling neigen, darüber fand die Studie folgenden Sachverhalt heraus: Wer gute Nachrichten verpasst hat, fühlt sich demnach kein bisschen außen vor. Schlechte Nachrichten nicht mitzubekommen, aber macht das mit uns: Dank unserer Smartphones ist die nächste News immer nur einen Wisch mit dem Daumen (oder Zeigefinger) entfernt.
Gefühlslage: Hilflos und hoffnungslos
"Wenn wir online ständig schlechten Nachrichten und negativen Informationen ausgesetzt sind, erinnert uns das an unsere eigene Sterblichkeit und wie wenig Kontrolle wir vermeintlich über unser Leben haben", sagt der Hauptautor der Studie, Reza Shabahang von der australischen Flinders University. Wer seine eigenen Smartphone-Gewohnheiten aktiv hinterfragt, könne da aber wieder herauskommen, ergänzt Shabahang.
"Menschen sollten darauf achten, wieviel Zeit sie in sozialen Medien verbringen und welchen Effekt das auf ihre Emotionen, Gedanken und ihre Lebenseinstellung hat, vor allem bei negativen Nachrichten und Ereignissen." – Studien-Hauptautor Reza Shabahang, Flinders University
Dieser Artikel ist erstmals am 22. Juli 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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