Bayern führt vom nächsten Jahr an flächendeckende "Sprachstandserhebungen" für Kinder im Kindergartenalter ein – samt der Möglichkeit zu verpflichtender Förderung. "Es geht im Kern darum, für die Kinder das Schlimmste im schulischen Kontext zu verhindern, was man sich vorstellen kann: Nämlich dass ein Kind die Sprache nicht richtig spricht (...) und dann im Unterricht nicht mitkommt", sagte Staatskanzleichef Florian Hermann (CSU) nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München. "Es soll kein Kind durchs Raster fallen."
Bei Nachholbedarf "verpflichtendes Vorschul-Jahr"
Künftig soll schon eineinhalb Jahre vor der Einschulung der Sprachstand aller bayerischen Kinder festgestellt werden, also im vorletzten Kita-Jahr. Werden dabei sprachliche Defizite festgestellt, müssen die Kinder eine Kindertagesstätte mit einem Vorkurs Deutsch besuchen – zur gezielten Förderung des Deutscherwerbs. "Bei Nachholbedarf gibt es künftig zunächst ein verpflichtendes Vorschul-Jahr", schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf X. "Wir wollen Integration ab dem ersten Schultag. Das gelingt aber nur, wenn eine gemeinsame, gute Verständigung möglich ist."
Der "Vorkurs Deutsch" ist eine gezielte Sprachförderung für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf im Deutschen. Die Kurse umfassen 240 Stunden – je 120 werden von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und von Grundschullehrkräften gehalten.
Erste Tests nächstes Jahr
Diese neue Erhebung bei den etwa Viereinhalb- bis Fünfjährigen soll an den öffentlichen Grundschulen vorgenommen werden. Nur wenn eine staatlich geförderte Kita erklärt, dass bei bestimmten Kindern kein erheblicher Förderbedarf besteht, kann ausnahmsweise auf den Test verzichtet werden. Es solle keine unsinnige Bürokratie entstehen, erläuterte Herrmann.
Erstmals vorgenommen werden soll der neue Test bei Kindern, die im September 2026 eingeschult werden. Somit werden also nächstes Jahr die Sprachkenntnisse der dann Viereinhalb- bis Fünfjährigen überprüft. "Zu Beginn des Jahres 2025 erhalten die Eltern von der zuständigen Grundschule ein Schreiben mit allen wesentlichen Informationen", kündigte die Staatskanzlei mit.
Sprachscreening bei Schulanmeldung als zweite Stufe
Das Sprachscreening bei der Schulanmeldung bleibt erhalten und bildet künftig die zweite Stufe der Sprachstandserhebung. Kinder, die dann noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen und noch keine Fördermaßnahme durchlaufen haben, werden von der Einschulung zurückgestellt und zum Besuch einer Kita mit einem integrierten Vorkurs Deutsch verpflichtet.
Grüne kritisieren "Kita-Abitur"
Für die Kita-Expertin der Grünen-Fraktion, Julia Post, setzt der Beschluss der Staatsregierung am falschen Punkt an. "Weder mit dem derzeitigen Angebot an Sprach-Kitas noch mit Deutsch-Vorkursen ist die nötige Förderung möglich", beklagt Post. "Statt endlich eine ehrliche Sprachförderung in allen Kitas zu finanzieren, führt die CSU-FW-Regierung lieber eine Art Kita-Abitur ein."
Die Grünen fordern einen Ausbau der Sprachförderangebote in Kitas. Das Angebot an Deutsch-Vorkursen sei in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen: 2020/2021 seien insgesamt 9.191 Wochenstunden angeboten worden, im darauffolgenden Jahr 8.737 Wochenstunden und 2022/23 habe es für Bayerns Kindergartenkinder nur noch 7.771 Wochenstunden gegeben. Das entspreche einem Rückgang von mehr als 15 Prozent in diesem Zeitraum. "Sprachkompetenz kommt nicht von Sprachtests, sondern von Spracherwerb", betont Post. "Dafür braucht es die entsprechende Förderung!"
SPD: Flächendeckende Deutsch-Vorkurse sicherstellen
SPD-Bildungsexpertin Simone Strohmayr begrüßte zwar das Konzept zur Sprachförderung vor der Einschulung, sieht aber noch offene Fragen. "Die Schulen werden verpflichtet, die Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler festzustellen. Unklar ist jedoch, wie genau das Kultusministerium die Grundschulen verlässlich unterstützt, damit jedes Kind mit Förderbedarf auch tatsächlich gefördert wird", sagte die SPD-Politikerin. Zugleich verwies auch sie darauf, dass die Vorkurse Deutsch wegen Personalmangels oft ausgefallen seien. Diese müssten nun flächendeckend sichergestellt werden.
Der Bayerische Philologenverband lobte die Einführung der verpflichtenden Sprachtests: "Die Sprachförderung muss Fahrt aufnehmen, damit das Langzeitprojekt gelingen kann."
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