Twitter will offenbar aus dem Verhaltenskodex der EU gegen Falschinformationen in Online-Netzwerken aussteigen. Das Unternehmen von US-Milliardär Elon Musk habe der Europäischen Kommission seine Absicht mitgeteilt, aus dem freiwilligen Abkommen auszutreten, hieß es aus EU-Kreisen. Offiziell wurde Brüssel demnach über die Entscheidung des Onlinekonzerns noch nicht informiert.
Dies bedeute jedoch nicht, dass das US-Unternehmen Europa verlassen werde, sagte ein EU-Vertreter. Der Schritt würde ohnehin keinen großen Unterschied machen, da sich Twitter in jüngster Zeit nicht wirklich eingebracht habe. "Das bedeutet lediglich, dass sie nicht an Sitzungen teilnehmen und keine Berichte erstellen. Sie hätten immer noch rechtliche Verpflichtungen."
Der Insider bezog sich dabei auf jüngst verabschiedete Technologiegesetze, mit denen der Verhaltenskodex verknüpft ist. Verstöße können Unternehmen Bußgelder in Höhe von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes kosten. Eine Stellungnahme von Twitter lag nicht vor.
EU-Kommision hat Kodex verschärft - Wer hat unterschrieben?
Der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation in den großen Internet-Plattformen wurde von den Branchenunternehmen selbst geschrieben und 2018 mit der EU vereinbart. Neben Firmen aus der Werbebranche hatten sich Google, Facebook, Twitter, Microsoft und seit 2020 auch Tiktok verpflichtet, ihn einzuhalten.
Die EU-Kommission hatte den Kodex im vergangenen Jahr verschärft. Sie verlangt von den Unternehmen regelmäßige Fortschrittsberichte mit Daten über entgangene Werbeeinnahmen von Desinformationsakteuren. Zudem müssen Informationen über die Anzahl oder den Wert angenommener oder abgelehnter politischer Anzeigen sowie erkannte manipulative Verhaltensweisen bereitgestellt werden.
Warum Twitter aus dem Abkommen austreten will
Twitter habe argumentiert, sich lieber auf seine Nutzer als auf Faktenchecker zu verlassen, hieß es aus EU-Kreisen. Die bisherigen Desinformations-Berichte des Unternehmens im Rahmen des Verhaltenskodex' seien sehr unvollständig gewesen. "Wenn (Elon Musk) den Kodex nicht ernst nimmt, dann ist es besser, wenn er austritt", sagte ein Vertreter der EU-Kommission der Nachrichtenagentur AFP.
Während die Einhaltung des Kodex' freiwillig ist, sei das EU-Gesetz über Digitale Dienste (DSA) verpflichtend, betonte ein Vertreter der EU-Kommission. "Niemand kann dem DSA entkommen." Das Gesetz soll im November in Kraft treten und sieht die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte vor. Das DSA war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament verabschiedet worden und soll besonders die großen Onlinekonzerne in der EU stärker regulieren.
Fake News auf Twitter: Musk schaltete gesperrte Nutzer wieder frei
Als selbsternannter Verfechter der Meinungsfreiheit hat Musk seit seiner Übernahme des Onlinedienstes im vergangenen Oktober viele Twitter-Angestellte entlassen, die mit der Moderation von Inhalten und der Kommunikation mit Brüssel betraut waren. Musk ließ zudem Nutzer wieder freischalten, die wegen der Verbreitung von Desinformation gesperrt waren. Dazu gehörte auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump.
Mit Informationen von AFP und Reuters.
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