Der blaue Haken auf Twitter ist berühmt. Viele Jahre lang war er eine Art Qualitätsmerkmal. Er stand dafür, dass Twitter den Account verifiziert hatte. Der blaue Haken besagte also: Ja, dieser Account gehört wirklich dieser Person, Organisation oder Firma. Und nur wichtige Leute bzw. Firmen bekamen einen blauen Haken. Barack Obama etwa, die EU-Kommission oder die New York Times.
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Doch seit Elon Musk im November Twitter übernommen hat, ist rund um den blauen Haken das Chaos ausgebrochen. Seit November kann man sich den Haken kaufen und zwar über den Premium-Dienst Twitter Blue, der für Einzelpersonen 8 US-Dollar im Monat kostet, für Unternehmen sogar 1.000 US-Dollar. Offiziell gibt es zwar eine inhaltliche Überprüfung, ob man sich nicht als eine andere, prominente Person ausgibt, de facto findet diese Überprüfung aber nicht statt.
Nebeneinander von alten und neuen blauen Haken ist verwirrend
Fünf Monate existierten blaue Haken, die nach alter und nach den neuen Regeln vergeben wurden, parallel. Zum 1. April will Musk nun Ernst machen und allen Accounts, die kein Twitter-Blue-Abo abschließen, den blauen Haken entziehen. Allerdings lassen sich die alten blauen Haken nicht per Knopfdruck abschalten, sondern nur manuell entfernen, wie die Washington Post berichtet. Und da Elon Musk mehrere Tausend Mitarbeitende gekündigt hat, könnte dieser manuelle Überprüfungsprozess einige Zeit dauern. In der Praxis führt das zu einem undurchsichtigen Nebeneinander von alten und neuen blauen Haken. Mit unangenehmen Folgen für die Twitter-Nutzenden.
Bisher konnte man noch unterscheiden, ob der blaue Haken nach den alten oder den neuen Richtlinien vergeben wurde. Und zwar anhand unterschiedlicher Textboxen, die eingeblendet werden, wenn man mit der Maus auf den blauen Haken klickt.
Doch diese Unterscheidungsmöglichkeit ist nun auch Geschichte. Wer jetzt auf den blauen Haken klickt, bekommt folgende Meldung angezeigt: "Dieses Konto ist verifiziert, weil es Twitter Blue abonniert hat oder ein verifiziertes Altkonto ist." Der blaue Haken sagt also momentan so gut wie gar nichts aus.
Monica Lewinsky berichtet von Fake-Accounts mit ihrem Namen
Beobachter rechnen damit, dass sich nun Nachahmer und Imitatoren auf Twitter fälschlicherweise als prominente Personen ausgeben. Die Anti-Mobbing-Aktivistin Monica Lewinsky, die durch eine Affäre mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton bekannt wurde, berichtete von mehreren mit blauem Haken versehenen Accounts, die sich als sie ausgeben würden.
Mehrere Prominente haben bereits angekündigt, nicht für Twitter Blue bezahlen zu wollen, darunter der Schauspieler Ian McKellen und der Basketball-Star LeBron James. Sie haben ihren blauen Haken bislang noch nicht verloren. Die 10.000 Accounts mit den meisten Followern sollen den blauen Haken behalten dürfen, egal ob sie zahlen oder nicht, wie die New York Times vergangene Woche berichtete.
Musk nimmt der New York Times den blauen Haken
Dazu zählt auch die New York Times selbst. Besser gesagt zählte. Denn an der weltbekannten US-Zeitung statuierte Musk ein Exempel: Die Times hatte vergangene Woche angekündigt, nicht für den "Verifikations"-Haken zahlen zu wollen. Darauf reagierte Elon-Musk mit der Ankündigung, den Haken zu entfernen. Tatsächlich hat der Hauptaccount der New York Times inzwischen keinen blauen Haken mehr, weitere Twitter-Accounts der Marke hingegen schon. Musk griff die Zeitung bei dieser Gelegenheit scharf an: Ihre "Propaganda" sei "nicht einmal interessant", ihr Twitter-Feed "wie Durchfall", twitterte er. Musk liegt mit der Zeitung schon länger über Kreuz, stört sich offenbar an ihrer kritischen Berichterstattung über die Art, wie er Twitter umbaut.
Werden Musks Tweets bevorzugt angezeigt?
Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, krempelt er die Plattform radikal um. Er hat mehrere Tausend Mitarbeitende entlassen, die Richtlinien für Content-Moderation aufgeweicht, eine Reihe gesperrter Accounts von Prominenten wieder freigeschaltet und Twitters Programmierschnittstelle kostenpflichtig gemacht. Seine eigenen Tweets werden nach dem Eindruck vieler Nutzer vom Algorithmus bevorzugt, auch wenn Twitter das vergangene Woche dementierte. Die öffentliche Resonanz auf seine Umbaumaßnahmen ist jedoch weitgehend negativ und finanziell schreibt Twitter weiterhin rote Zahlen.
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