Die Bundesregierung rühmt sich für ihre Förderung digitaler Start-ups. Im Jahr 2019 investierte sie eine Milliarde Euro. Zum Vergleich: In der EU waren es 22 Milliarden Euro, in den USA 119 Milliarden Euro.
In Bayern werden derzeit 14.000 Kilometer Glasfaser verbaut, sagt Ministerpräsident Söder. Mehr als 1,8 Millionen Haushalte im Freistaat hätten in den vergangenen zwei Jahren einen Glasfaseranschluss bekommen.
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Digitale Infrastruktur ist mancherorts mangelhaft
Die Firma Krause im Gewerbegebiet von Raubling im Landkreis Rosenheim hat bisher keinen Breitbandanschluss bekommen. Das Unternehmen produziert Industrieschaltanlagen. Für die Internet-Nutzung gibt es in der Firma einen strikten Zeitplan, um die schwache Verbindung nicht zu überlasten. Der Upload von Daten braucht Zeit, Cloud-Lösungen sind gar nicht möglich.
Den Anschluss ans schnelle Internet hätte die Firma aus eigener Tasche bezahlen müssen, doch das rentiere sich für sie nicht, sagt Geschäftsführerin Denise Schurzmann. Die Firmengebäude sind angemietet, derzeit sucht das Unternehmen neue möglichen Standorte.
Schurzmann sieht die Politik in der Pflicht: "Wir Unternehmer zahlen Gewerbesteuer, für mich gehört da ein gewisser Beitrag zur Digitalisierung, beziehungsweise in die Internetverbindung dazu." Aber es fehle ja schon an einem stabilen Mobilfunknetz: "Das ist bei uns auch noch ein riesengroßes Thema."
Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
"Das ist doch Wahnsinn, dass das der Istzustand der Digitalisierung im Jahr 2021 ist", sagt Geraldine de Bastion. Mit ihrer Berliner Beraterfirma Konnektiv begleitet sie Digitalisierungs-Projekte für NGOs genauso wie für die Bundesregierung.
Sie kritisiert, dass die Regierung in Berlin Schwerpunkte, wie die Industrie 4.0 setze, aber ohne die dafür nötige Infrastruktur auszubauen. Das könnten Länder und Kommunen nicht allein: "Digitalisierung ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe."
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Digitalisierung an Schulen: "Da mangelt es überall"
Wo es fehlt, hat die Corona-Pandemie besonders deutlich bei der Bildung gezeigt. Das Engagement einzelner Lehrkräfte wurde von den Schulbehörden nicht aufgefangen, bemängelt de Bastion: "Während wir uns anschauen, wie die jeweiligen Landesschulclouds nicht funktionieren, wird Raum geschaffen für kommerzielle Angebote, wird die Verzweiflung der Lehrkräfte größer und die Schüler und Schülerinnen leiden drunter, und zwar gerade die, die aus einkommensschwachen Haushalten kommen."
Digitalisierung ja, Homeoffice-Pflicht nein
In Unternehmen hänge viel vom Engagement einzelner ab, sagt Krause-Geschäftsführerin Denise Schurzmann. Für sie als Anfang Dreißig-Jährige habe Digitalisierung eine hohe Priorität. Allerdings nicht uneingeschränkt. Eine Homeoffice-Pflicht für Unternehmen lehnt sie ab: "Im Home-Office kann ich nicht kontrollieren, ob die Mitarbeiter die Ruhezeiten einhalten, ob sie ihren Arbeitsplatz ergonomisch eingerichtet haben, und das Thema Datenschutz ist rechtlich nicht geklärt".
Hier stelle sich die Frage: Wer schaut alles in den Bildschirm? Wer hat Zugang zum Rechner? Sind die Betriebsdaten sicher? Aus Schurzmanns Sicht sind noch zu viele rechtliche Fragen offen.
Estland und Ruanda als gute Beispiele
Estland gilt als Vorreiter der Digitalisierung. Beraterin Geraldine de Bastion hält den politischen Willen für entscheidend. Estland habe digitale Prozesse von Anfang bis Ende durchgedacht, damit die digitale Welt im Alltag der Menschen funktioniert und damit sie einen Gemeinwohl fördernden Charakter hat.
Aber nicht nur das viel gepriesene Estland geht digital voran. Geraldine de Bastion nennt Ruanda als Beispiel: in dem afrikanischen Land könne man seine Steuererklärung seit einigen Jahren schon ausschließlich digital abgeben. Das Land will damit Korruption und Geldwäsche eindämmen. Wer keinen eigenen Internetanschluss hat, lässt sich bei der Steuererklärung in sogenannten digitalen Kiosks helfen, zu finden in Bibliotheken oder in Behörden.
Anders die Erfahrung mit Ämtern in Bayern bei Denise Schurzmann: Als sie einen ihrer Firmen-Standorte wechseln wollte, musste sie samt Papierformular persönlich zuerst ins eine, und dann ins andere Rathaus, um sich Unterschriften abzuholen, und das mitten in der Pandemie.
Podcast-Tipp: Dossier Politik - Wie zukunftsfähig ist Deutschland bei der Digitalisierung? Hier geht’s zur Sendung.
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