"Ich glaube, man hätte dem Fußball einen großen Gefallen getan", sagte Gerhard Delling zur Debatte um die "One Love"-Kapitänsbinde bei der Fußball-WM der Männer in Katar. Der ehemalige ARD-Sportmoderator wünschte sich am "Sonntags-Stammtisch" im BR-Fernsehen mehr Konsequenz und Mut vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). Nach der Ankündigung hätte man nicht mehr zurückziehen sollen, so Delling: "Ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich die sieben oder acht zusammentun und gesagt hätten: 'Wir machen das einfach' – selbst, wenn sie dann eine Gelbe Karte bekommen hätten. Oder es hätte ein Punktabzug gegeben." Der Rückzieher jetzt habe die Verbände mehr gekostet als sportliche Sanktionen.
Streit mit der FIFA
Die viel diskutierte Kapitänsbinde sollte ein Zeichen der Kritik an der Menschenrechtslage in Katar setzen. Mit ihr wollten sich, angestoßen vom niederländischen, ursprünglich zehn Verbände für gesellschaftliche Vielfalt, Diversität und Menschenrechte positionieren, darunter auch der DFB. Nachdem der Weltußballverband FIFA sportliche Sanktionen angedroht hatte, zogen die Verbände zurück – was vielfach als Einknicken kritisiert wurde. Gleichzeitig hatten die Verbände offenbar aber auch den offiziellen Weg in der FIFA nicht eingehalten, um Änderungen an den Regularien zu Trikot und Binde fristgerecht einzureichen.
Der mündige Athlet
Skilegende Christian Neureuther fügte in der BR-Sendung hinzu, dass die Sportler in den jetzigen Verbandsstrukturen viel zu wenig Einfluss hätten und forderte mehr Mitspracherechte bis hin zu Athletengewerkschaften: "Die Athleten müssen mitreden können, was da passiert." Delling pflichtete bei: "Weil wir uns übrigens den mündigen Athleten wünschen – und es so viele gibt, die auch deutlich über den Tellerrand hinausdenken können."
Gleichzeitig kritisierte Delling: Die Debatte jetzt zur WM in Katar und den Druck auf die Spieler werde mit einer gewissen Doppelmoral geführt. Das Gas werde knapp, Wirtschaftsminister Robert Habeck reiste nach Katar, um Flüssiggas zu besorgen, und gleichzeitig sollten sich jetzt Fußballspieler eindeutig positionieren: "Da ist so viel Heuchelei dabei, das tut mir weh!"
Debatte zehrt an den Nerven der DFB-Elf
Das Thema sei nicht neu, ergänzte Verena Bentele, die nicht nur Präsidentin des Sozialverbands VdK ist, sondern in ihrer aktiven Laufbahn als Langläuferin und Biathletin zwölf Goldmedaillen bei paralympischen Spielen gewonnen hat. Ob zu Winterspielen in Russland oder China, die Sportlerinnen und Sportler würden jahrelang trainieren, um Medaillen zu gewinnen. Dann würde man ihnen vor dem Wettkampf sagen, es sei verwerflich, zu starten: "Das finde ich für die Sportler wirklich eine krasse Verantwortung, die ihnen da gegeben wird."
Die jetzige Stimmung zur WM gehe indes nicht spurlos an der deutschen Nationalmannschaft vorbei, sagte Delling. "Gucken Sie mal auf die WM 2006 im Land und die Euphorie, die entstanden ist." Diese Euphorie habe die deutsche Mannschaft getragen, resümiert Delling: "Damals haben sie besser abgeschnitten, als sie waren – heute muss man befürchten, dass sie viel schlechter abschneiden als sie eigentlich sind."
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