Das Duell zwischen Deutschland und Österreich hat schon einige Spiele hervorgebracht, die es in die Fußball-Geschichtsbücher schafften. Da war die "Schmach von Cordoba" 1978, als die ÖFB-Elf den amtierenden Weltmeister bei der WM in Argentinien aus dem Turnier kickte. Vier Jahre später folgte die "Schande von Gijon" als man sich gemeinsam mit einem 1:0 für Deutschland in die WM-Zwischenrunde mauschelte.
Und nun folgte die 0:2-Demütigung in Wien - ein weiterer Tiefpunkt in diesem aus deutscher Sicht miserablen Fußballjahr (nur drei Siege aus elf Spielen). Während die österreichischen Fans Grund zum "Narrisch" werden hatten, saß Julian Nagelsmann mit einer grimmigen Miene auf der Bank, die an die österreichische Trainer-Legende Ernst Happel - dessen Namen auch das Stadion in Wien trägt - erinnerte.
Defensive anfällig, Offensive schwach, aus dem Mittelfeld zu wenig Impulse
Nichts was der 36-Jährige nach der 2:3-Niederlage gegen die Türkei forderte, schien beim Team angekommen zu sein. Drei echte Innenverteidiger standen auf dem Platz, dazu der eher defensiv ausgerichtete Leon Goretzka, aber erneut war die Abwehr gegen hochmotivierte Gastgeber zu anfällig.
Anders als im Test gegen die Türkei blieb auch das Offensivspiel erschreckend harmlos. Dafür kam aus dem Mittelfeld, wo Goretzka anstelle von Joshua Kimmich neben Kapitän Ilkay Gündogan agierte, viel zu wenig.
Nagelsmann versteht "Sorgen der Fans"
Keine sieben Monate vor der Heim-EM fiel es dem bislang nur bis zum Turnier-Ende angestellten Nagelsmann dann auch sichtlich schwer, in irgendeiner Form Optimismus zu verbreiten. "Ich verstehe die Sorgen der Fans, das kann ich absolut nachvollziehen", sagte der 36-Jährige.
Einerseits versicherte er, abseits der Spiele sei sein Team eine "sehr geschlossene Gemeinschaft mit einem unglaublich guten Miteinander". Andererseits habe er "schon das Gefühl, dass wir noch zu viele Einzelkämpfer sind", sagte Nagelsmann.
Es ist schon erstaunlich, dass die DFB-Stars in ihren jeweiligen Verein glänzen, ihre Leistung dann aber nicht im Schwarz-Weißen Dress abrufen können. Als bestes Beispiel dient Leroy Sané. Er gehört neben Harry Kane zu einem der besten Spieler beim FC Bayern.
Frustrierter Sané als Sinnbild des DFB-Teams
Gegen die Türkei begann er bärenstark, nach der Pause war sein Spiel mit Licht und Schatten. In Wien fiel er nur durch eine Szene auf: einem Frustfoul in der 49. Minute, für das er die erste Rote Karte seiner Profikarriere kassierte. "Wenn man die Rote Karte sieht - das ist ein Reifeprozess, eine Drecksackmentalität. Der Gegenspieler versucht, Leroy zu treten, trifft ihn aber nicht - und Leroy reagiert, wir kriegen Rot. Da kann man auch beim Gegner Rot provozieren."
Damit traf er genau den Nerv von Rudi Völler. "Es wird uns nur gelingen, eine gute EM zu spielen und die Menschen wieder auf unsere Seite zu ziehen, wenn wir das machen, was die Türken und die Österreicher gemacht haben: Die fünf Prozent, die wir in den Klubs weniger machen, hier mehr zu machen", betonte der Sportdirektor.
Nur, wenn "jeder für sich noch eine Schippe drauflegt", sei die Mannschaft auf hohem Niveau konkurrenzfähig. "Wir müssen die fünf bis zehn Prozent an Leidenschaft, an Energie, an Dynamik in das Spiel bringen", sagte Völler, "sonst wird es schwierig."
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