Jamal Musiala und Harry Kane vom FC Bayern räumen Tennisbälle vom Spielfeld.
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Jamal Musiala und Harry Kane vom FC Bayern räumen Tennisbälle vom Spielfeld.

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DFL-Investoren-Deal: Holen sich Fans "ihren" Fußball zurück?

Nach umfangreichen Fanprotesten lenkt die DFL ein. Der umstrittene Investoren-Deal ist gescheitert. Eine wegweisende Entscheidung oder nur ein Aufschieben des Unvermeidbaren?

Über dieses Thema berichtet: BR24Sport am .

Der Kreativität schienen keine Grenzen gesetzt. Riesige Banner, Tennisbälle, ferngesteuerte Autos, ja sogar Mini-Flugzeuge wurden in den vergangenen Wochen durch deutsche Stadien geschickt, um eine Botschaft zu verbreiten: Der Investoren-Deal ist gegen den Willen vieler Fans - und auch unter undurchsichtigen Umständen zustande gekommen.

Mit schelmischer Freude dürften einige dabei zugesehen haben, wie Ordner versuchten, die kleinen Elektroautos, die den Spielbetrieb unterbrochen hatten, wieder einzufangen. Andere waren einfach nur genervt von dem Dauerstreik in den Bundesliga-Stadien, die einige Partien an den Rand des Spielabbruchs geführt hatten. Besonders die Funktionäre blickten argwöhnisch auf das Treiben auf dem Platz. Und genau das war das Ziel.

"Ein guter Tag für Deutschlands Fußballfans"

Ein Zeichen, dass die Fans auch im modernen Fußball noch Einfluss haben und Entscheidungen, die elementar am Willen der organisierten Fanszene vorbeigehen, ohne Gegenwehr nicht so einfach hinnehmen. Der Sprecher des Fan-Dachverbandes "Unsere Kurve" wertet den gestoppten Investoren-Einstieg als einen Sieg der Fans. "Aus Sicht der aktiven Fußballfans und aller Mitglieder der Vereine in Deutschland ist das natürlich ein großer Erfolg", sagte Thomas Kessen der Deutschen Presse-Agentur. "Heute ist ein guter Tag für Deutschlands Fußballfans."

Das Einlenken der DFL kam schließlich, nachdem klar wurde, dass immer mehr Fußballvereine sich nicht gegen den Willen eines großen Teils ihrer Fans stellen wollten. Laut Hans-Joachim Watzke bröckelte in den 48 Stunden vor der entscheidenden DFL-Sitzung die generelle Unterstützung. Daraufhin schlug der DFL-Aufsichtsratschef dem Präsidium vor, die Verhandlungen zu beenden. Für FC-Augsburg-Geschäftsführer Michael Ströll der richtige Weg: "Wir begrüßen die Entscheidung des DFL-Präsidiums, den Prozess nicht weiterzuführen. Wir haben großes Vertrauen in das Gremium gesetzt, eine verantwortungsbewusste Entscheidung im Sinne des deutschen Fußballs zu treffen und wurden nicht enttäuscht."

Fanforscher Lange fordert Ende der "Hinterzimmer-Diplomatie"

Auch Fan- und Fußball-Forscher Professor Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität begrüßt die Entscheidung: "Es ist ein klarer Sieg für die Fanszenen. Ich würde allerdings noch weiter gehen: Es ist einen Sieg für den Fußball insgesamt", so Lange.

Lange hofft, dass die "Hinterzimmer-Diplomatie“ nun ausläuft. Er sei klar: "dass wir ganz andere Wege der Entscheidungsfindung brauchen. Sowohl bei DFL als auch im DFB insgesamt“ und verweist darauf, dass es im Vereinsrecht eigentlich eine "wahre Demokratie" gebe, diese werde allerdings seit Jahrzehnten nicht umgesetzt.

Das Interesse am Fußball nimmt seit Jahren ab

Was passiert wäre, wenn die DFL trotz großer Fragen über die Rechtmäßigkeit der zweiten, geheim durchgeführten Abstimmung, dem Investoren-Deal, endgültig zugestimmt hätte? Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass es vermutlich zu Spielabbrüchen gekommen wäre. Auch ein langwieriger Stimmungsboykott wäre denkbar gewesen - und wer weiß, ob alle Fans dann tatsächlich auch wieder zurückgekommen wären. Denn schon lange begleitet große Teile der Anhängerschaft das Gefühl, dass wirtschaftliche Interessen im Fußball die Überhand gewinnen.

Laut der Allersbacher Markt- und Werbeträger-Analyse nimmt das Interesse am Fußball in Deutschland seit Jahren stetig ab (Externer Link). Verlorene Emotionen durch den ungeliebten Videobeweis, steigende Ticket- und Fanartikel-Preise, hohe Transfersummen und Gehälter (Externer Link), die Winter-WM in Katar und der Fakt, dass Fans mittlerweile zwei bis drei Abos abschließen müssen, um ihren Bundesligaverein im Fernsehen live spielen zu sehen: Gründe für das langsame Abkühlen der innigen Fanliebe zu ihrem Sport gibt es viele. Oft schauen Fans dennoch resigniert bei der Entwicklung zu.

Laut Umfrage: Große Mehrheit der Fans hält Proteste für angemessen

Bei dem Investoren-Einstieg vereinigte die Ängste große Teile der Fans. Laut einer repräsentativen FanQ-Umfrage befürchteten 71 Prozent der Befragten eine noch größere Kommerzialisierung des Fußballs. 61 Prozent gaben an, der Fußball würde durch den Einstieg seine Seele verlieren. 55 Prozent glaubten, Vereins-Mitglieder würden an Einfluss verlieren. Und so hielten mehr als drei Viertel der Befragten die Proteste für angemessen.

Nur selten kommt es zu derartigen Massenprotesten der Fanszene. Und zwar immer dann, wenn für eine Mehrheit eine rote Linie überschritten wird. Das zeigte sich etwa in England, als die Pläne einer europäischen Super League bekannt wurden. FC Arsenal, FC Chelsea, FC Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur hatten zunächst eine Teilnahme zugesagt. Als ihnen heftige Ablehnung von den eigenen Fans entgegenschlug, ruderten die Klubeigner schnell zurück.

Watzke spricht von "Zerreißprobe"

In Deutschland ist die 50+1-Regel traditionell eine solche rote Linie, die nicht überschritten werden darf - auch wenn in den Augen von einigen Fans durch Vereine wie Rasenballsport Leipzig, TSG Hoffenheim oder Hannover 96 die eigentlich klare Regel stark aufgeweicht wurde. Die Spannungen zwischen Fan-Gruppierungen und Vereinen scheinen nun einen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben. "Der deutsche Profifußball steht inmitten einer Zerreißprobe", räumte auch Watzke in einer DFL-Mitteilung ein und sprach damit auch den Richtungsstreit zwischen "kleinen" und "großen" Vereinen an. Denn nicht nur viele Zuschauer sehen die aktuellen Entwicklungen kritisch.

Die Fans sind ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga

Nun gilt es, Lehren aus den Protesten zu ziehen. Die DFL wird, das ist nun mal ihre Aufgabe, weiter versuchen, mehr Geld einzunehmen, um die "Marke" Bundesliga zu stärken und so mehr Geld durch TV-Rechte einzunehmen. Angedacht sind beispielsweise Kredite, oder ein offizieller Sponsor für die Bundesliga, wie es bereits in England oder Spanien der Fall ist. Doch auch bei diesen Maßnahmen sind die Fans laut der FanQ-Umfrage kritisch.

Beide Seiten müssen wohl aufeinander zugehen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Die DFL täte gut daran, einen Dialog zu suchen. Schließlich ist eines der Herausstellungsmerkmale der Bundesliga, die weniger Stars und Glamour hat als andere europäische Topligen, die gelebte Fankultur, volle Stadien und stimmungsvolle Ränge.

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