Golfstrom (Symbolbild): Bergpanorama südlich von Molde, Norwegen
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Wie wahrscheinlich ist der Kollaps des Golfstroms?

Wie wahrscheinlich ist der Kollaps des Golfstroms?

Das Klima in Nord- und Westeuropa ist so mild, weil Strömungen riesige Mengen an warmem Wasser aus der Karibik bis weit in den Norden transportieren. Was aber, wenn die Atlantische Umwälz-Zirkulation (AMOC) immer schwächer wird oder gar kollabiert?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Im Atlantik transportieren unter anderem Golfstrom und Nordatlantikstrom warmes Wasser aus der Karibik bis hinauf ins nördliche Polarmeer. Die beiden Strömungen sind nur ein Teil der Atlantischen Umwälz-Zirkulation, die auch AMOC (Atlantic meridional overturning circulation) genannt wird. Sie wälzt das gesamte Wasser des Ozeans, von der Südspitze Südafrikas bis ins Nordmeer, bis in die Tiefe um, und bringt Wärme bis weit in den Norden.

Ihr treibender Faktor ist, dass das Wasser in den höheren Breitengraden, wo es kalt ist, viel Salz enthält und eine hohe Dichte hat. Dieses kalte Wasser sinkt hinab in die Tiefe. An der Oberfläche strömt über den Atlantik relativ warmes Oberflächenwasser nach Norden nach. Es kühlt ab, sinkt nach unten und fließt dann in 2.000 bis 3.000 Meter Tiefe als kalter Tiefenstrom wieder zurück Richtung Süden bis ins Südpolarmeer.

"Zentralheizung" für Europa

Weil das nordwärts fließende Wasser wärmer ist als das in der Tiefe nach Süden zurückfließende, funktioniert dieses Strömungssystem wie eine riesige Zentralheizung und liefert gigantische Wärmemengen in den nördlichen Atlantik-Raum. Das Wasser gibt dort die Wärme an die Luft ab und sorgt so für das milde Klima, besonders im Nordwesten Europas. Das System hat aber auch Einfluss auf die Höhe des Meeresspiegels, insbesondere an der Ostküste der USA, und sogar auf den Monsun in Asien.

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Strömungssysteme wie die Atlantische Umwälz-Zirkulation transportieren gewaltige Wassermassen über die Ozeane.

Mehr Süßwasser schwächt

Was aber passiert, wenn über einen sehr langen Zeitraum ständig Süßwasser, zum Beispiel von den schmelzenden Gletschern der Arktis, in den Nordatlantik fließt? Dieses Gedankenspiel haben niederländische Forschende in einem Computermodell nachgerechnet.

Das Besondere daran: Zum ersten Mal in einem Klimamodell dieser Güte und dieser Klasse sei ein Kollaps der Zirkulation zu sehen, erklärt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Die Autoren der Studie haben in ihrem Modell die Nordatlantikströmung mit einem relativ kleinen Zufluss von Süßwasser gestört. Dieser wurde aber immer stärker und irgendwann sei die Atlantikzirkulation dann kollabiert. Folge: der Ausfall von Europas "Zentralheizung" im Atlantik.

Allerdings bezog dieses Modell keine anderen Einflüsse auf das Klima ein. Ziel der Studie war zu zeigen, was passieren kann, wenn immer mehr Süßwasser ins Meer strömt. Sie kann und will also keine Aussage machen, wie sich das Strömungssystem in der Realität des Klimawandels verhält. Aber sie schafft die Voraussetzungen für solche Prognosen. Ihre Ergebnisse lassen sich etwa in komplexere Klimawandel-Szenarien integrieren, um diese zuverlässiger zu machen.

Kritik an Vorhersage zum baldigen Kollaps des Strömungssystems

Eine Studie, die im Sommer 2023 erschien, hatte hingegen die Kernaussage: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das Strömungssystem noch in diesem Jahrhundert zusammenbrechen. Diese Studie hätte aber so nicht erscheinen sollen, sagt der Klimatologe Marotzke: "Diese Studie hat auf einem sehr, sehr einfachen physikalischen Modell der Zirkulation basiert, das viel zu einfach ist für eine Vorhersage über die wirkliche Welt."

Auch Levke Cäsar, Physikerin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, kritisiert die Studie vom Sommer 2023, unter anderem dafür, dass sie mit unsicheren Daten arbeitet, nämlich sogenannten Näherungs- oder Proxydaten. Für die gewählte Methode seien bessere Mess-Daten notwendig, die gebe es für den gewählten Zeitraum aber nicht. Denn erst seit 2004 existieren überhaupt Beobachtungsdaten der Meeresströmung. Für die Klimaforschung ist das viel zu kurz.

Hinweise darauf, dass die Atlantischen Umwälz-Zirkulation schwächer wird, gibt es aber sehr wohl. Südlich von Grönland und Island gibt es im Atlantik eine sehr große Region, die sich als einzige auf der Welt in den letzten hundert Jahren nicht erwärmt, sondern abgekühlt hat. Klimamodelle hatten das bereits lange vorhergesagt.

Atlantische Umwälz-Zirkulation beschäftigt Weltklimarat IPCC

Auch den Weltklimarat IPCC beschäftigt die Atlantische Umwälz-Zirkulation. In seinem jüngsten Bericht 2021 steht, er habe "mittleres Vertrauen", dass das Strömungssystem in diesem Jahrhundert nicht zusammenbricht. Das heißt, nach Einschätzung des IPCC trifft diese Aussage mit bis zu 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein.

Inzwischen liegen neben den beiden genannten weitere Studien zur Atlantischen Umwälz-Zirkulation vor und Levke Cäsar sieht die IPCC-Einschätzung kritisch: "Dieses mittlere Vertrauen ist meiner Meinung nach gerade nicht mehr unbedingt gegeben." Der Nordatlantikstrom könnte demnach tatsächlich in den nächsten Jahrzehnten kippen, also sehr schnell zum Erliegen kommen. Einen exakten Zeitpunkt kann aber heute kein Modell vorhersagen.

Dieser Artikel ist erstmals am 21. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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