"Ich fühle Freude und Liebe. Ich bin begeistert, die Brasilianer in einer neuen Sportart zu vertreten. Das ist eine große Sache für mich", bestätigte Lucas Braathen die seit Tagen kursierenden Gerüchte um sein Comeback im Gespräch mit "Globo Esporte". Am Donnerstagvormittag erklärte sich der 23-Jährige außerdem bei einer Präsentation seines Sponsors in Salzburg: Auf portugiesisch sagte er: "Ich kehre zum Ski-Weltcup zurück. Und ich werde Brasilien repräsentieren. Ich werde für das Land antreten, das meine Liebe zum Sport geweckt hat."
Braathen, der auch den Namen seiner Mutter Pinheiro trägt, zählte die Gründe für seine Rückkehr auf: "Es hat mir gefehlt, nicht jeden Morgen mit dem Ziel aufzuwachen, der Beste in etwas zu sein. Ich habe die Zeit vermisst, die ich mit dem verbracht habe, was mir am meisten Spaß macht, nämlich Skifahren." Doch der wichtigste Faktor, so Braathen, war: Im fehlten "die Momente, die nur der Sport liefern kann. Die Möglichkeit, vor Zehntausenden Menschen zu performen. Alles zu geben und eine Show zu liefern."
Braathen für Brasilien ein "Gamechanger"
Anders Pettersson, Präsident des brasilianischen Skiverbandes, eröffnete mit den Worten: "Muito bem vindo", herzlich willkommen. Er bezeichnete die Entscheidung Braathens als "einmalige Möglichkeit" für den brasilianischen Verband. Mit dem 23-Jährigen habe man nicht nur einen der besten Skifahrer der Welt, sondern auch ein absolutes Vorbild gewonnen. Er sei für Brasilien ein "Gamechanger".
Dennoch, das gibt Pettersson zu, Brasilien hat keine Erfahrung mit einem Skirennfahrer dieses Niveaus. "Wir sind noch nicht auf diesem Level. Wir müssen auch viel lernen", sagte Pettersson, der erzählte, dass er überrascht gewesen sei zu erfahren, dass Braathen zwischen 60 und 100 Paar Skiern besitzt. Braathen will nun ein komplett neues Team im brasilianischen Verband aufbauen. Das Ziel ist klar: "Ich möchte wieder der Beste werden. Ich möchte so schnell wie möglich in die Position kommen, auf Podien zu fahren."
Rücktritt unter Tränen
Im Gespräch mit "Globo Esporte" sagte Braathen, der bisher für Norwegen fuhr, außerdem: "Ich bin mit der Liebe zum Sport aufgewachsen, habe mit meinen Cousins und Freunden auf den Straßen von São Paulo Fußball gespielt. Jetzt ist für mich der richtige Zeitpunkt." Der 23-Jährige wolle "zeigen, dass man ein anderer Mensch sein, aber dennoch zu den Besten im Sport zählen kann".
Braathen war im Oktober völlig überraschend und nur wenige Tage vor dem ersten Weltcuprennen der Saison in Sölden zurückgetreten. Unter Tränen sagte er damals, er habe sich "fast immer dafür entschieden, das zu tun, was mich am glücklichsten macht. Das ist es, was mir wichtig ist." Nachdem er sich für den Rücktritt entschieden hatte, sei er zum ersten Mal seit einem halben Jahr "glücklich" gewesen.
Mit einem "One-Way-Ticket" nach Brasilien
Die Skiwelt trafen die Worte des norwegischen Siegfahrers völlig aus dem Nichts. Noch in der Saison 2022/23 gewann er die Slalom-Kugel, er holte sich vier Weltcupsiege, stand vier weitere Male am Podest.
Nach der Verkündung, erzählte Braathen, sei er mit einem One-Way-Ticket nach Brasilien gereist. Dort sei schnell der brasilianische Verband auf ihn zugekommen und ihm die Möglichkeit unterbreitet, künftig für Brasilien im Weltcup zu starten. Im Januar habe er sich entschieden, dieses Angebot anzunehmen.
Paradiesvogel im Skiweltcup
Lucas Braathen gilt als Paradiesvogel im Skiweltcup, mit seiner extrovertierten Art fiel er auf und zog auch abseits der Pisten Massen an. Er tanzte mal Samba im Zielgelände von Schladming, lackiert sich die Nägel, trägt Röcke, designt Mode und legt als DJ auf.
Zwischen den vielen Rennen und Trainingscamps machte er regelmäßig Abstecher nach Paris, er ging als Model über den Laufsteg der dortigen Fashion Week. Für sein ausgefallenes Äußeres eckte er im Skiweltcup-Zirkus aber auch an, musste vor allem in den Sozialen Medien Kritik und Hass einstecken.
Als einen Hauptgrund für seinen Rücktritt nannte Braathen damals die Auseinandersetzung mit dem Verband. Norwegens Skiverband hält die Vermarktungsrechte an seinen Spitzenathleten, was zur Folge hat, dass diese keine privaten Sponsoren akquirieren und zeigen können. Braathen bekam etwa eine Geldstrafe auferlegt, weil er ein unerlaubtes Fotoshooting für eine Modefirma machte.
Heiratsantrag von Felix Neureuther
Im Januar war Braathen zu Gast im BR24Sport-Podcast "Pizza & Pommes" mit Felix Neureuther. Neureuther hatte dem Norweger am Tag seines Rücktritts ein Heiratsangebot gemacht. Unter Braathens Rücktritts-Post auf Instagram schrieb Neureuther: "Ich kann das nicht glauben. Wenn es wegen des Verbandes ist, würde ich dich heiraten und dann kannst du für Deutschland starten. Meine Frau wäre damit völlig einverstanden."
Bei der Podcast-Aufnahme im Januar im Rahmen der Hahnenkammrennen in Kitzbühel gaben sich die beiden Skistars dann auch wirklich - wenn auch behördlich nicht ganz korrekt - das Ja-Wort.
Neureuther: "Versuch ein paar Dinge aus"
Im Podcast sprach Braathen über die Verbundenheit zum Skisport und sagte: "Wenn ich die Weltcup-Rennen im TV sehe, dann ist das ein sehr starkes Gefühl." Und schon damals redete Neureuther auf den jungen Norweger ein: "Aber Lucas, wenn du dieses Gänsehaut-Gefühl hast, das wird in deinem Leben nie vorbeigehen. Das geht mir heute auch noch so, obwohl ich schon vor vier Jahren aufgehört habe zu Skifahren."
Neureuther appellierte an Braathen, es noch einmal zu versuchen – auf einem anderen Weg, etwa ohne den norwegischen Verband: "Findest du nicht, wenn dieses Gefühl so stark ist, dass du da runterfahren willst und ich meine, du bist 23 Jahre alt. Glaubst du nicht, dass du sagst so: ,Hey weißt du was, ich versuche einen anderen Weg zu gehen, einen neuen Weg zu gehen.' Du versuchst jetzt ein paar Dinge aus."
Braathen hat jetzt wohl ein paar Dinge ausprobiert und einen anderen Weg gefunden. Er startet ab nächster Saison für Brasilien – für das Land seiner Mutter. Und bringt den Samba wieder zurück in den Skiweltcup.
Neureuther nach Braathen-Rückkehr: "Es freut mich unglaublich"
Der ARD-Experte meldete sich gegenüber BR24Sport nach der Verkündung Braathens zu Wort. Er freue sich "unglaublich" über die Entscheidung des Norwegers, in Zukunft für Brasilien an den Start zu gehen, denn "solche Typen braucht der Sport". Braathen sei ein Athlet, "der mit Herz fährt, der Emotionen vermittelt und über den man die ein oder andere Geschichte erzählen kann".
Doch nicht nur Neureuther freut sich, auch für den Weltcup-Zirkus sei es ein gutes Zeichen und für die Zuschauer, verspricht der ehemalige Skirennläufer: "Es wird nächstes Jahr deutlich spannender im Slalom-Weltcup werden."
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