Julian Nagelsmann schlenderte mit seinen grauen Sneakern ganz locker ins ZDF-Sportstudio - doch der erste Eindruck täuschte. Der Bundestrainer war nicht zum Plaudern nach Mainz gekommen, ihm stand der Sinn stattdessen nach Klarheit und Aufräumen. In einem langen Interview zu nächtlicher Stunde warf Nagelsmann vermeintliche Gewissheiten über den Haufen, verabschiedete sich von Experimenten und legte auch beim Reizthema der vergangenen Wochen eine Kehrtwende hin: Er sieht Joshua Kimmich nun doch auf der Rechtsverteidiger-Position.
"Josh ist hinten rechts eine Option", sagte der Bundestrainer - das habe er mit dem Bayern-Profi auch bereits so besprochen. Generell will Nagelsmann seine Startelf deutlich defensiver ausrichten als zuletzt - Stichwort "Verteidigungsmonster". Daher sei auch die (kurze) Zeit von Kai Havertz als Schienenspieler auf der linken Seite definitiv vorbei.
Neuer hat Nase vorn
"Wir müssen ein bisschen was an der Kaderstruktur ändern", sagte Nagelsmann, er rückte damit von seinem Plan ab, die elf besten Fußballer aufzustellen. Im Tor scheint ebenfalls eine Vorentscheidung gefallen zu sein.
Der langjährige Kapitän Manuel Neuer hat gegenüber seinem Kollegen Marc-Andre ter Stegen zumindest für die Länderspiele gegen Frankreich (23.3.) und die Niederlande (26.3.) klar die Nase vorn. "Manuel macht das außergewöhnlich gut, sein Comeback war ein sehr emotionaler Moment. Ich finde seine Leistungen herausragend gut", sagte Nagelsmann, der zudem auf ter Stegens Rücken-Operation verwies. Es laufe darauf hinaus, dass Neuer im März ins DFB-Tor zurückkehre.
Rückkehr von Toni Kroos?
Seinen Kapitän Ilkay Gündogan vom FC Barcelona sieht der Bundestrainer offensiver als zuletzt, als Strippenzieher vor zwei defensiv denkenden Sechsern. Zudem schloss er überraschend sogar eine Rückkehr des 2014er-Weltmeisters Toni Kroos nicht aus: "Es kann sein, dass ich ihn noch mal anrufe."
In einer Schnellfragerunde im ZDF-Sportstudio wollte der 36 Jahre alte Bundestrainer zunächst nicht mehr dazu sagen und verwies schlagfertig darauf, dass Nachfragen gegen die Spielregeln seien. Danach betonte er aber: "Man muss sich ja über alle Spieler, die einen deutschen Pass haben, das ist ja glaube ich mein Job, Gedanken machen."
Kroos hat seine Karriere in der DFB-Auswahl nach 106 Länderspielen nach der EM 2021 beendet. Zuletzt hatte Kroos' deutscher Teamkollege bei Real Madrid, Antonio Rüdiger, die Spekulationen um ein Comeback des 33 Jahre alten Weltmeisters von 2014 aber angeheizt.
Regelmäßiger Austausch zwischen Nagelsmann und Kroos
Kroos äußerte sich dazu jüngst nach dem 3:2 mit den Königlichen in der Champions League gegen den 1. FC Union Berlin. "Ich musste lange überlegen, er hat mich auf dem falschen Fuß erwischt, weil ich selbst diesen Gedanken nicht hatte, der kam erst durch ihn", sagte Kroos bei DAZN. "Dadurch habe ich überlegt und ihm eine Antwort darauf gegeben, die ich heute nicht geben kann." Er habe aber schon geschmunzelt, sagte Kroos.
Er habe ganz oft Austausch mit Kroos, auch schon weit vor seiner Zeit als Bundestrainer, sagte Nagelsmann, der den Posten im vergangenen September übernommen hat. Er sehe Kroos als herausragenden Spieler und herausragenden Menschen, der sehr reflektiert sei und ganz selbstlos eine Meinung habe zu vielen Themen im Fußball. Kroos habe herausragende Erfolge gefeiert und sei in Madrid zurecht einer der Könige, weil er es herausragend mache, lobte Nagelsmann den hochdekorierten Mittelfeldspieler.
Nagelsmann warb für Optimismus
Über die Option einer Rückkehr hätten sie "noch nicht so konkret gesprochen. Wir haben generell über die Nationalmannschaft gesprochen. Über seine Eindrücke", erklärte Nagelsmann und meinte dann noch: "Ich glaube, jeder deutsche Fußballer sieht einen gewissen Reiz darin, eine Heim-EM zu spielen."
Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann warb außerdem trotz zuletzt schwacher Ergebnisse für einen optimistischen Blick auf die Heim-EM im Sommer. "Es soll viel Vorfreude bringen. Wenn wir in München im Eröffnungsspiel stehen, sollten wir zuerst mal Freude spüren, und das Privileg, dass es etwas Besonderes ist, im eigenen Land eine EM spielen zu können", sagte Nagelsmann am Samstagabend im ZDF-Sportstudio.
Der Schwere der Aufgabe sei er sich bereits vor seinem Amtsantritt bewusst gewesen. "Ich wusste, dass es schwierig ist, eine sehr große, aber auch reizvolle Aufgabe, die wir alle gemeinsam meistern können. Eine Heim-EM - das werde ich nicht mehr erleben, viele andere Trainer auch nicht", sagte Nagelsmann.
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