Der Manipulationsskandal um das norwegische Skisprung-Team zieht immer weitere Kreise. Nachdem bei der Nordischen Ski-WM aufgedeckt worden war, dass das norwegische Skisprung-Team Anzüge wissentlich manipuliert hatte, den der Verband anschließend zugegeben hatte, wurden zunächst mehrere Athleten, Trainer und Betreuer suspendiert.
Manipulationen wohl bereits beim Weltcup 2021
Ruhe ist seither dennoch nicht eingekehrt. Im Gegenteil: Immer mehr Details und neue Wendungen kommen ans Licht. Nun hat Fredrik Bjerkeengen, ein ehemaliger Betreuer, in einem Interview mit der norwegischen Zeitung "Verdens Gang" von weiteren Regelverstößen in der Vergangenheit berichtet. Bereits während des Skisprung-Weltcups in Zakopane im Jahr 2021 habe es Manipulationen gegeben.
Mit Holzleim zu Topergebnissen
"Wir rührten Holzleim an und pinselten ihn auf den Sprunganzug." Das Ziel: "Es ging darum, den Anzug steifer zu machen, weil er dann noch mehr wie ein Flügel wirkt, der für Auftrieb sorgt." Besonders brisant: Sieger des damaligen Weltcup-Springens: Der Norweger Marius Lindvik, der aktuell wegen der Enthüllungen bei der Nordischen Ski-WM suspendiert ist - und wenige Tage zuvor die Goldmedaille im Einzel vor Andreas Wellinger geholt hatte.
Auffälligkeiten wurden 2021 nicht festgestellt. Diesen Umstand erklärt Bjerkeengen: "Der Kleber wurde glänzend und verschwand. Und wenn wir uns im Anzug bückten und ihn benutzten, löste er sich allmählich auf. Der Anzug hat alle Tests bestanden." Laut Bjerkeengen sei dem norwegischen Team klar gewesen, dass die Kontrolleure nicht die Kapazität hätten, bei jedem Springer und jedem Wettkampf sämtliche Materialvorgaben genau zu prüfen. Auch er selbst habe bei der Manipulation geholfen: "Es war die einzige Möglichkeit, sich zu behaupten."
Laut Bjerkeengen: Brathen auch schuldig
Als einer der Hauptschuldigen nennt Bjerkeengen im Interview Norwegens langjährigen Manager Clas Brede Brathen. "Er hatte einen großen Anteil an dem, was auf der Reise passiert ist", erklärte Bjerkeengen. "Clas war dabei, als es passierte. Etwas anderes zu behaupten, wäre eine Lüge", betonte der frühere Betreuer. Der hatte bereits abgestritten, von solchen Manipulationen während seiner Amtszeit, die 2021 endete, gewusst zu haben.
Hannawald: "Verleumdung, Verhöhnung"
Mit seinen Aussagen unterstützt Bjerkeengen die Sicht vieler Athleten und Experten, die bezweifeln, dass der Betrug bei der Nordischen Ski-WM ein Einzelfall war. Auch ARD-Skisprung-Experte Sven Hannawald kritisierte die Darstellung der Skispringer um Lindvik und Johann André Fofang, die beteuert hatten, nichts von den Manipulationen gewusst zu haben.
"Die Art der Dreistigkeit, die da an den Tag gelegt wird, die übersteigt jegliche Vorstellungen", wettert Hannawald. "Wie kann man so dreist sein und uns alle irgendwie gefühlt verarschen, indem man sagt, ich konnte nichts dafür. Wenn das so sein soll, dann sind es die zwei blindesten Springer auf der ganzen Welt." Skispringen sei die sensibelste Sportart. Man brauche so ein Feingefühl. "Da merkst du, was mit dem Anzug passiert oder eben nicht. Und das ist Verleumdung, Verhöhnung für jeden normalen Springer, der sich normal darauf vorbereitet, eine Watsche ins Gesicht, was die zwei da loslassen."
Im Video: "Agentenkrimi" um manipulierte Skisprung-Anzüge
Norwegens ehemaliger Trainer Magnus Bervig (li.) und der Skispringer Marius Lindvik vor FIS-Materialkontrolle
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