Ben Neumann in der Surftown München
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Blinder Ben Neumann: Surfen in kompletter Dunkelheit

Blinder Ben Neumann: Surfen in kompletter Dunkelheit

Im Alter von sechs Jahren hat Ben Neumann aus Garmisch-Partenkirchen sein Augenlicht verloren, als Zwölfjähriger entdeckte er die Liebe zum Surfen. Blind trotzt er den Wellen im Ozean – und will damit bald auf die größte Bühne der Welt.

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Am Strand von Valdoviño knallen die Wellen meterhoch auf die Küste. Inmitten der rauen nordspanischen See treibt Ben Neumann aus dem oberbayerischen Garmisch-Partenkirchen. Unter ihm ein Surfbrett, auf seinem Kopf ein Helm – beides in gelber Signalfarbe. Am Strand steht Bens Vater Peter, beide sind per Headset miteinander verbunden. Peter navigiert Ben zentimetergenau durch die Wellen.

Ben vertraut seinem Vater zu 100 Prozent. Das muss er auch, denn Ben ist blind. Voller Energie wirft er sich bäuchlings auf sein Brett und beginnt zu paddeln, während ihn die Wasserwalze einholt. In dem Moment, als ihn die Welle erfasst und ihn zu verschlingen droht, greift Ben an. Er drückt seinen Oberkörper nach oben, zieht sein rechtes Bein nach vorne und rast die Welle entlang.

Nach Gen-Defekt: Neumann erblindet und entdeckt das Surfen

"Weil ich keinen visuellen Input habe, verlasse ich mich auf meine anderen Sinne. Was höre ich? Was fühle ich?", erklärt Neumann in "Blickpunkt Sport". Hinter seiner außergewöhnlichen Gabe stecken neben Talent auch viel Einsatz und Fleiß. Im Alter von sechs Jahren erblindete Neumann aufgrund eines Gen-Defekts. Mit zwölf Jahren kam er auf der Eisbachwelle in München und den Surfparks im Umland erstmals mit dem Surfen in Kontakt – und das Fieber packte ihn sofort.

Rosina Neuerer (links) und Ben Neumann
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Rosina Neuerer (links) und Ben Neumann

Ohne Surf-Erfahrung: Vater und Sohn holen EM-Bronze

Sein Vater ist dabei sein größter Fan und treuer Begleiter. "Letztendlich ergibt die unglückliche Situation mit seiner Erblindung für mich sogar den positiven Nebenaspekt, dass ich mit meinem inzwischen 18-jährigen Sohn immer noch viel Zeit verbringe", freut sich Peter Neumann. Dass er selber kompletter Surf-Laie ist, spielt keine Rolle: "Die Kontrahenten, gegen die wir antreten, haben normalerweise Vollprofis im Wasser. Insofern sind wir da noch am Kämpfen, schlagen uns aber ganz okay für Leute, die aus den Bergen kommen."

Bei der Parasurf-EM 2023 in Valdoviño surfte Ben tatsächlich zu Bronze. Dennoch wissen Vater und Sohn: Wenn Ben so richtig durchstarten möchte, braucht er einen neuen Guide. Eine Person mit echter Surf-Expertise, die ihm die perfekte Welle herauspicken kann. "Mir war wichtig, dass es auch auf der Vertrauensebene passt, weil das ein sehr, sehr wichtiger Aspekt ist", sagte Neumann über seine Entscheidung in diesem Herbst.

Profi-Guide Neuerer: "War schon immer Fan von Ben"

Eine Person, die genau diese Kriterien erfüllt, ist Rosina Neuerer aus Rosenheim. Die beiden kennen sich aus der kleinen Surf-Szene vom Münchener Eisbach. "Ich war schon immer ein Fan von Ben", sagte die 24-jährige Neuerer, die gerade ihre Ausbildung zum professionellen Surf-Coach abgeschlossen hat: "Was Ben da macht, ist einfach unglaublich. (...) Er hat einfach keine Grenzen."

"Rosina war sofort Feuer und Flamme"

So furchtlos Neumann im Wasser ist, so schwer tat er sich damit, Neuerer zu fragen, ob sie sein Surf-Guide werden möchte. "Ich habe mir eines Tages ein Herz gefasst und angerufen. Was soll ich sagen? Die Rosina war eigentlich sofort Feuer und Flamme." Und das musste sie auch, schon am nächsten Tag kauften sie ihre Flugtickets nach Kalifornien, zwei Monate später gewannen sie in Huntington Beach gemeinsam Bronze bei der Para-WM.

Ein neues Dream Team ist geboren. Neuerer weiß, zu was Neumann alles in der Lage ist. "Wir waren letztes Jahr gemeinsam Skifahren und auch da ist Ben einfach gut, wie er da die Schwünge auf der Piste gefahren ist. Das war wahnsinnig faszinierend." Gemeinsam wollen sie zu den Paralympics 2028 in Los Angeles. Doch es gibt einen entscheidenden Haken.

Enttäuschung: Parasurfen 2028 nicht paralympisch

Obwohl das Parasurfen alle Anforderungen für die Paralympics in LA28 erfüllen konnte, entschied das IPC (International Paralympic Committee) sich gegen eine Zulassung bei den Spielen. "Das ist sehr schade, weil es für mich eine schöne Perspektive gewesen wäre und andererseits auch der finanzielle Aspekt." Denn da es keine paralympische Sportart ist, gibt es keine Förderung durch die Deutsche Sporthilfe, Ben und Vater Peter Neumann finanzieren sich selbst und durch Spenden.

Doch für einen Surfer, der in kompletter Dunkelheit den Wellen trotzt, ist das kein Hindernis. "Wir Para-Surfer sind nicht nur flexibel und lösungsorientiert im Wasser, wir bleiben da auch an Land dran. Die ISA (Surf-Weltverband) wird sich auch weiterhin ins Zeug legen, deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass es für 2032 (Paralympics in Brisbane) endgültig hinhaut."

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