49-facher englischer Nationalspieler, gestandener Premier-League-Spieler, Champions-League-Finalist, 29 Jahre – auf dem Papier klingt Eric Dier wie der ideale Spieler, um die Verteidigung des FC Bayern zu verstärken. Am Donnerstag gaben die Münchner den ersten Zugang in diesem Winter bekannt. Der Engländer kommt von Tottenham Hotspur zum Schnäppchenpreis.
Dier bei Tottenham zuletzt nur Bankdrücker
Und genau hier beginnt das Kleingedruckte bei Dier. Denn Tottenham wollte den Abwehrspieler loswerden. Von seinen 274 Premier-League-Spielen bestritt er nur vier in dieser Saison. Unter dem neuen Tottenham-Coach Ante Postecoglou war Dier meistens nur auf der Auswechselbank zu finden. Manchmal nicht einmal dort.
Selbst in der Abwesenheit der beiden Stamminnenverteidiger Micky van de Ven und Cristian Romero vertraute der Spurs-Coach lieber auf zwei gelernte Außenverteidiger als auf den Routinier. Und so fiel Dier auch aus dem Kader der englischen Nationalmannschaft.
FC Bayerns Kader-Situation als Chance für den Neuzugang
Doch Dier hat durchaus das Potenzial, in München wieder eine größere Rolle zu bekommen. Vor allen Dingen, weil der FC Bayern händeringend nach Verstärkung seiner Innenverteidigung sucht. Da Min-jae Kim beim Asien-Cup weilt und Talent Tarek Buchmann weiter mit Verletzungen zu kämpfen hat, ist alleine durch die Kaderstruktur Bedarf für einen routinierten Innenverteidiger. "Wir hoffen, dass wir dadurch Leon Goretzka freibekommen. Leon muss jetzt nicht mehr vom linken defensiven Mittelfeld in die rechte Innenverteidigung wechseln", sagte Tuchel mit einem Augenzwinkern bei der Pressekonferenz am Donnerstag.
In der vergangenen Saison war Dier noch unumstrittener Stammspieler. Nach dem Sommer hatte Dier Berichten zufolge in Tottenham von vorneherein keine Chance mehr auf eine größere Rolle. Coach Postecoglou soll Dier schon kurz nach seiner Ankunft bei Tottenham mitgeteilt haben, dass er nicht mehr auf ihn setzen wird – und hat Wort gehalten. Der Stil des kantigen Engländers passte nicht zu dem variablen Angriffsspiel des Trainers, das auf flexiblen Spielern beruht, die schnell Positionen wechseln und verschieben können.
Arbeitseinstellung könnte Tuchel imponieren
Doch auch Tuchel schätzt spielstarke Verteidiger. Vor dem Winter betonte er, dass das Aufbauspiel aus der Verteidigung eigentlich das Prunkstück seines Teams war. Ob Dier, der über seine Karriere durchschnittlich etwa 85 Prozent seiner Pässe an den Mann bringt, dort perfekt passt? Seine neuen Innenverteidiger-Kollegen weisen allesamt Passquoten von über 91 Prozent auf - und haben auch so in dem risikoreichen Aufbauspiel genügend Fehlpässe gespielt, die zu Gegentoren führten.
Doch seine Spielphilosophie und Arbeitsauffassung dürften ein Grund sein, warum Tuchel schon im vergangenen Sommer Interesse an Dier bekundet haben soll. "Ein guter Spieler ist in Portugal jemand, der versteht, wenn er einen Fehler gemacht hat und diesen selbst korrigiert", sagte Dier, der als Kind in Portugal aufwuchs, bei Sporting in Lissabon das Fußballspielen lernte und dort auch sein Profidebüt feierte. Tuchel hat einen ähnlichen Ansatz. Er möchte kein starres taktisches Konzept vorgeben, sondern im Training eine Grundidee vermitteln und Spieler, die durch ständige Wiederholungen eigene Lösungen für Probleme finden.
Sturm auf die Tribüne – Dier legte sich mit Fans an
Dass Dier in der Tat manchmal ungewöhnliche Lösungen findet, zeigte er vor gut vier Jahren. Bei einem Tottenham-Spiel geriet sein Bruder auf der Tribüne in einen Streit, der drohte zu einer handfesten Auseinandersetzung zu werden. Dier fackelte nicht lange, spurtete in Richtung Tribüne, erklomm die Sitze, bahnte sich einen Weg durch die Fans und kam seinem Bruder zur Hilfe.
Die Folge: vier Spiele Sperre und eine Strafe von rund 45.000 Euro. "Es tut mir nicht leid. Ich würde es wieder genauso machen", sagte er später im "Guardian". "Für meine Familie, meine Teamkollegen, egal wen, Freunde. Ich würde mich als extrem loyal bezeichnen."
Kane-Kumpel und "Glue-Guy" - Glückt dem FCB ein Wintertransfer?
Dass Dier ein guter Teamkamerad ist, bestätigten viele Mitspieler. In Tottenham nannte man ihn einen "Glue Guy", jemand, der die Kabine beisammen hielt, der gut für das Klima war. Mit seinen Sprachkenntnissen und seinen Erfahrungen im Ausland half er neuen Spielern, bei Tottenham Fuß zu fassen.
Dabei wird ihm in München nun ein alter Weggefährte helfen. Harry Kane teilte neun Jahre lang mit Dier eine Kabine – im Verein und in der Nationalmannschaft. Nun sind sie wieder Teamkollegen. Das kann Dier natürlich nur helfen. Doch seine Leistung auf dem Platz wird den größten Einfluss darauf haben, ob er zu einer echten Verstärkung wird, oder er sich einreiht in die teils enttäuschenden Wintertransfers, die der FC Bayern zuletzt getätigt hat. Gerade in der Verteidigung stechen die ja heraus: Ob Dailey Blind, Álvaro Odriozola oder Serdar Tasci - ein gutes Händchen bewiesen die Münchner im Winter nur ganz selten.
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