Das Landhaus Adlon liegt malerisch. Nördlich von Potsdam, direkt am Lehnitzsee. Auf der Internetseite des Gästehauses heißt es, man bringe "das Ambiente der 20er-Jahre zurück" nach Potsdam. Was in dem Landhaus im vergangenen November passiert sein soll, erinnert tatsächlich an die 1920er-Jahre – eine Zeit, in der Nationalsozialisten den Schulterschluss mit Unternehmern und anderen Unterstützern suchten, um die Macht zu ergreifen.
Rechtsextreme und AfD-Funktionäre reden über Massenausweisungen
Wie das Recherchenetzwerk "Correctiv" berichtet, nahmen an dem Treffen unter anderem AfD-Politiker, Mitglieder der "Werteunion" und der bekannte Vertreter der "Identitären Bewegung", Martin Sellner, teil. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es über die "Identitäre Bewegung": "Die inhaltlichen Positionen und ihre darauf aufbauende Agitation stellen eine Missachtung der im Grundgesetz garantierten Menschenrechte dar, insbesondere der Menschenwürde sowie des Diskriminierungsverbots."
Ein Thema des Treffens soll dabei laut "Correctiv" ein Plan gewesen sein, Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen – auch wenn sie einen deutschen Pass haben. Von "Remigration" ist dabei die Rede. Den Begriff verwenden auch AfD-Politiker. Der Verfassungsschutz bezeichnet das Schlagwort als "ausländer- und islamfeindlich".
Die AfD versucht heute, auf Abstand zu gehen. Ein Sprecher der Bundespartei betonte, es habe sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt. Brisant ist, dass auch ein enger Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel bei dem Treffen dabei war. Das bestätigt ein Sprecher Weidels. Nach seinen Worten hat die Partei- und Fraktionschefin aber nicht gewusst, wer an dem Treffen alles teilnimmt. Der bayerische AfD-Landeschef Stephan Protschka wollte auf BR24-Anfrage nichts zu dem Bericht von "Correctiv" sagen.
Im Video: Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels zum Geheimtreffen
Grüne fordern Aufarbeitung im Bundestag
Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor zeigen die Enthüllungen, wie verfassungsfeindlich und menschenverachtend die AfD und ihre Netzwerke sind. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion nennt die Pläne eine "konkrete Bedrohung für die Demokratie in Deutschland". Kaddor kündigt an, die Vorgänge zum Thema des Innenausschusses im Bundestag zu machen.
Die Bundesregierung wollte sich am Mittag nicht genauer zu den Enthüllungen äußern. Das Innenministerium verwies nur darauf, dass die AfD beim Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, die Regierung werde rechtsextremen Bestrebungen entschlossen und klar entgegentreten.
Eingeladen zu dem Treffen in Brandenburg hat laut "Correctiv" der ehemalige Düsseldorfer Zahnarzt Gernot Mörig. Er war früher Bundesführer des rechtsextremen "Bundes Heimattreuer Jugend" und gilt mit seiner Familie als deutschlandweit bestens vernetzt in der Szene. Wie "Correctiv" berichtet, hatte auch Hans-Christian Limmer die Einladung zu dem Treffen bei Potsdam unterschrieben. Limmer hatte den Bäckereidiscounter "Backwerk" groß gemacht. Zuletzt war er unter anderem Gesellschafter der Franchise-Burgerkette "Hans im Glück" mit Sitz in München. Wie "Correctiv" berichtet, war Limmer bei dem Treffen aber nicht dabei. Er habe sich auf die Frage des Recherchenetzwerks von den Inhalten des Treffens distanziert. Dass es bei Treffen auch darum ging, finanzielle Unterstützer zu gewinnen, zeigt schon die Einladung. Für die Teilnahme wurde eine Mindestspende von 5.000 Euro erwartet.
"Hans im Glück" und Limmer trennen sich
Nach der Veröffentlichung der "Correctiv"-Recherche gab "Hans im Glück" bekannt, dass sich die Burgerkette und Limmer mit sofortiger Wirkung getrennt hätten. Die Burgerkette bezog sich dabei in einer Erklärung auf die Vorwürfe, Limmer habe zu einer Veranstaltung zum Thema "Remigration" mit eingeladen.
Auch CDU um Abgrenzung bemüht
Nicht nur die AfD, auch die CDU in Nordrhein-Westfalen bemühte sich um Abgrenzung. Bei den beiden CDU-Mitgliedern, die laut Recherche ebenfalls vertreten waren, handelt es sich demnach um Mitglieder der rechtskonservativen, CDU-nahen "Werteunion". Ein CDU-Sprecher teilte mit, man prüfe, ob Parteimitglieder an dem Treffen teilnahmen. Grundsätzlich gelte: "Wer an solchen Treffen teilnimmt, verstößt gegen die Grundsätze der CDU."
Faeser warnt vor Vernetzung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte vor einer Vernetzung von rechtsextremen Verfassungsfeinden mit der AfD. "Wir sehen auch jetzt wieder, dass es notwendig und richtig ist, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte die SPD-Politikerin dem "Stern". "Niemand sollte diese Gefahr unterschätzen."
Wer ist Correctiv?
Correctiv ist ein Recherchenetzwerk, das gemeinwohlorientiert und ohne Gewinnabsicht, als Non-Profit Organisation arbeitet. Es wurde 2014 gegründet. Die investigativen Recherchen sind vielfach ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Grimme-Online-Award oder dem Nannen-Preis. Laut eigenen Angaben arbeitet Correctiv frei von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Auf ihrer Webseite legt das Recherchenetzwerk transparent die Finanzen seit der Gründung offen. Demnach finanziert sich Correctiv durch private Spenden aber auch durch Zuwendungen von Stiftungen, Institutionen und Unternehmen. Die Bundeszentrale für politische Bildung zählt ebenfalls zu den Förderern. Seit 2017 arbeitet Correctiv als Faktenchecker auch mit Facebook zusammen. Ziel ist die Verbreitung von Falschnachrichten auf der Plattform einzudämmen. Bei Rechercheprojekten kooperiert Correctiv außerdem mit anderen Medien. Dazu zählt auch der BR wie zum Beispiel bei dem Projekt „Wem gehört die Stadt?“
Im Video: "Correctiv"-Recherche zu Geheimtreffen von Rechtsextremisten
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