Bayerns Landwirte haben ihre Proteste gegen die Subventionskürzungspläne der Bundesregierung fortgesetzt. In mehreren Bezirken gab es am Mittwoch wieder Protestfahrten mit Traktoren und Kundgebungen. Vielerorts kam es erneut zu Verkehrsbehinderungen.
Mit rund 2.000 Traktoren fuhren Bäuerinnen und Bauern nach Augsburg, zur zentralen Versammlung in der Aktionswoche des Bayerischen Bauernverbandes auf dem Volksfestgelände am Plärrer. Laut Polizei waren 3.000 Teilnehmer vor Ort. Da der Platz in der Stadtmitte nicht für alle Trecker ausreichte, organisierte die Polizei kurzfristig Ausweichstellplätze am Stadion des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg. Über 150 Traktoren nutzten die Ausweichparkmöglichkeit an der WWK-Arena. Die betreffenden Personen wurden mit den Shuttle-Bussen zum Plärrer-Gelände und anschließend wieder zur WWK-Arena gebracht.
"Land lahmlegen": Bauernverband droht mit verschärftem Protest
Der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, drohte mit verschärftem Protest. Sollte die Bundesregierung nicht auch beim Agrardiesel weitere Zugeständnisse machen, stellte er einen "Januar, wie ihn das Land noch nicht erlebt hat" in Aussicht. Es gebe "jede Menge Ideen, wie man das Land eventuell lahmlegen" könne, sagt Felßner BR24.
Die Banner der Bäuerinnen und Bauern setzten sich vor allem inhaltlich mit der Politik auseinander. Auf den Plakaten stand zum Beispiel: "Ohne deutsche Landwirtschaft keine Lebensmittel aus Deutschland", "Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert", "Berlin macht mehr Mist als unser Vieh". Kaum zu sehen waren Plakate, auf denen gehetzt wurde oder auf denen Hassbotschaften zu lesen waren. Einen Stinkefinger und einen Galgen, an dem eine Ampel baumelt, gab es allerdings auch. Zu solchen Botschaften sagten Funktionäre bereits: "Sowas wollen wir hier nicht sehen."
Kaniber kritisiert Bundesregierung: Kein Verständnis für Bauern
Von Seiten der Politik waren unter anderem Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek zugegen.
Der Ärger der Landwirte gehe weit über die geplante Steuererhöhung hinaus, sagte Kaniber. Sie warf der Ampel-Koalition vor: "Es fehlt in der Bundesregierung nicht nur das Verständnis für die Situation der Betriebe, es scheitert schon an der Bereitschaft, ernsthaft zuzuhören."
Die Bundesregierung will den Agrardiesel-Zuschuss innerhalb von drei Jahren abschaffen. Die bayerische Landtags-SPD weicht von dieser Linie ab und will bäuerliche Familienbetriebe mehr unterstützen: "Wir wollen, dass die Bauern für bis zu 15.000 Liter Diesel pro Jahr weiterhin 21 Cent Rückerstattung bekommen sollen, und die Landwirte mit deutlich weniger Bürokratie konfrontiert sind", schrieb Landtagsfraktionschef Florian von Brunn auf X, ehemals Twitter.
Video: Großer Bauernprotest in Augsburg
Oberbayern: Zentrale Kundgebung in Ingolstadt
In Oberbayern rollten Hunderte Traktoren auf fünf festgelegten Routen zur zentralen Kundgebung nach Ingolstadt. Rund 400 Traktoren zählte die Polizei, etwa hundert weniger als angemeldet. Auf ihnen kamen rund 500 Landwirte aus allen Himmelsrichtungen nach Ingolstadt. Dabei kam es zu Verkehrsbehinderungen, sonst aber zu keinen größeren Vorkommnissen.
Weitere Protestaktionen sollte es am Nachmittag in und um Rosenheim und am Abend in Bad Reichenhall geben. Die Polizei rechnete mit erheblichen Verkehrsbehinderungen.
In Niederbayern beteiligten sich rund 200 Teilnehmer mit gut 180 Fahrzeugen an einer Sternfahrt ab Rain im Kreis Straubing-Bogen. Laut Polizei kam es zu kleineren Verkehrsbehinderungen. Eine halbstündige Kundgebung verlief störungsfrei.
Traktoren an Autobahnauffahrten in Unterfranken
Bereits am frühen Morgen trafen sich Landwirte in Unterfranken mit ihren Traktoren an mehreren Autobahnauffahrten entlang der A3, der A7, der A70 und der A71. Blockiert wurden die betroffenen Auffahrten jedoch nicht, heißt es von der Polizei. Autofahrer berichteten hingegen von zeitweisen Blockaden. Angekündigt waren auch Mahnfeuer, langsame Konvois und Schlepper-Sternfahrten. An den insgesamt 34 Versammlungen in der Region nahmen laut Polizei über 2.000 Fahrzeuge teil. In der Summe beteiligten sich unterfrankenweit nach polizeilichem Kenntnisstand insgesamt rund 2.150 Menschen an den Versammlungen.
Bei Trennfurt kam es am Nachmittag noch zu einem Verkehrsunfall: Ein Teilnehmer eines Konvois war offenbar am Steuer seines Kleintransporters kurz eingenickt und in den Gegenverkehr gefahren. Dort kollidierte der Bus mit einem entgegenkommenden Wagen. Die Fahrer blieben unverletzt, die beiden Fahrzeuge haben Schrottwert.
Würzburg war ebenfalls das Ziel einer Schlepper-Sternfahrt. Rund 450 Bauern kamen mit ihren Traktoren auf dem Talavera-Parkplatz zusammen. Danach zogen die Protestierenden zu Fuß durch die Innenstadt. An den Regionalbüros der Ampelparteien legten einige Demo-Teilnehmer Gummistiefel, Schürzen oder Arbeitshandschuhe vor den Büros ab - Symbole des Bauernprotests.
Im Video: Protest unterfränkischer Landwirte
Özdemir befürchtet zunehmende Spaltung der Gesellschaft
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) bekam derweil im baden-württembergischen Ellwangen lautstark den Unmut der Landwirte zu spüren. Redner betonten, das Vertrauen in die Politik sei verloren gegangen. Özdemir wiederum sagte, dass er nicht mit den geplanten Subventionskürzungen für die Landwirte einverstanden sei. Er sei als Fachminister aber nicht mit einbezogen worden. "Wäre dies der Fall gewesen, wären die Beschlüsse so nicht gekommen", sagte Özdemir. Künftig dürfe so etwas nicht am grünen Tisch entschieden werden. Auch müsse der Berufsverband zwingend einbezogen werden.
Doch der Landesbauernverband zeigte sich am Ende nicht zufrieden von dem Auftritt des Ministers. "Herr Özdemir hat in seiner heutigen Rede vollkommen offen gelassen, wie seiner Ansicht nach eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen und aktiv gestaltet werden kann", teilte Vizepräsident Jürgen Maurer mit. Dabei hätten junge Landwirte genau diese Frage an den Minister gestellt.
Wüst fordert vom Bund eine Agrar-Allianz
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst schlägt angesichts der anhaltenden Proteste von Landwirten ein Gremium analog zur Kohlekommission vor. Es sei Zeit für eine "breite Agrar-Allianz" und einen "Gesellschaftsvertrag für die heimische Landwirtschaft", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" [Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt]. "Aus der gesellschaftlichen Mitte heraus kann die Agrar-Allianz sowohl für Befriedung sorgen als auch Chancen für die heimische Landwirtschaft aufzeigen."
Der Bund solle eine Kommission mit allen relevanten Interessenvertretern zur Zukunft der Landwirtschaft einberufen. Aus Sicht des NRW-Regierungschefs sollten unter der Koordination des Bundes Vertreter der Landwirtschaft, von Politik, Einzelhandel, Umwelt- und Tierschutzverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaft zusammenkommen.
Am Montag hatten die Aktionen der Bäuerinnen und Bauern bundesweit begonnen, fast überall gab es erhebliche Verkehrsprobleme. Allein in Bayern beteiligten sich Zehntausende an dem Protest. Am Dienstag gab es weitere Demonstrationen, die Auswirkungen waren allerdings wesentlich geringer.
Mit Informationen von dpa und epd
Im Video: Lohnt sich das? Was verdient ein Landwirt?
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!