Es sollte das Jahr des Frauenfußballs werden - doch es wurde ein Jahr voller Ärgernisse und einer großen verpassten Chance. Die deutschen Fußball-Männer hatten ihre WM in Katar im Dezember 2022 krachend in den Sand gesetzt, von da an ruhten die Hoffnungen der deutschen Fußballfans auf der Frauen-Nationalmannschaft. Als Vize-Europameister war die DFB-Auswahl von Martina Voss-Tecklenburg zur WM gefahren - und ebenso brutal gescheitert wie die Männer.
EM-Hype verschleiert Probleme
Schon auf dem Weg zur WM offenbarten sich mehrere Baustellen, die zunächst von der Euphorie der tollen EM in England überlagert wurden, als sich der Frauenfußball ungekanntem Zulauf erfreute. Nicht nur bei den Länderspielen, auch in der Bundesliga strömten letztlich zehntausende neue Fußball-Begeisterte in die Stadien.
Öffentlichkeitswirksame Kampagnen, Dokumentationen und Slogans sollten die Krise im Männerfußball durch große Beliebtheit des aufstrebenden Frauen-Teams vergessen machen. Schon vor der WM verbaten sich die Spielerinnen wie Alexandra Popp Quervergleiche zum anderen Geschlecht, doch der DFB hatte andere Pläne. "Wir, die mit Stolz für unser Land spielen. Und um den dritten Stern." - so lautete das offizielle Mantra für die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland.
"Aushängeschild" kämpft um Anerkennung
Doch je näher das große Turnier rückte, desto mehr haperte es. Einerseits wurden die Frauen als das "Aushängeschild des deutschen Fußballs" bezeichnet, andererseits waren zahlreiche Selbstverständlichkeiten unmittelbar vor dem WM-Start nicht geklärt: Die sportliche Vorbereitungszeit war mit ursprünglich zehn Tagen viel zu kurz vom Weltverband angesetzt worden und wurde nachträglich nach vorne in den Juni verschoben.
Dies wiederum sorgte für Ärger im deutschen Team. Meister FC Bayern ordnete seine Spielerinnen (Lina Magull, Lea Schüller, Sydney Lohmann, Klara Bühl und Carolin Simon) an, erst zwei Tage nach dem vom DFB anberaumten Vorbereitungsstart zur Mannschaft hinzuzustoßen.
Diskussion um "Wortbruch" des FC Bayern
Es folgte eine öffentliche Debatte, DFB-Leiter Joti Chatzialexiou warf den Münchnern "Wortbruch" und "respektloses" Verhalten vor. Beim letzten Test vor dem Abflug nach Down Under kassierte Deutschland eine 2:3-Schlappe gegen Sambia. Es sollte ein Vorgeschmack auf die WM werden, als das deutsche Team in einer Gruppe mit Marokko, Kolumbien und Südkorea erstmals in der Vorrunde ausschied.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nahm sich im Anschluss in die Verantwortung und kündigte eine umfangreiche Aufarbeitung an. Aus diesem Vorhaben wurde jedoch nichts, die ehemalige Nationalspielerin hatte nach der Rückkehr nach Deutschland mit mentalen Problemen zu kämpfen und war mehrere Wochen krankgeschrieben.
Video aus dem Oktober: Voss-Tecklenburg bricht Schweigen
Voss-Tecklenburg: Trennung statt Aufarbeitung
"Mir ging es vor der WM schon nicht gut. Ich war krank, und ich wusste auch nicht, wie lang dieser Prozess geht", sagte "MVT" zuletzt im ZDF über ihren Zustand: "Der Kopf ist leer. Ich bin nur am Weinen." Für Irritationen sorgten dann zwei öffentliche Auftritte von Voss-Tecklenburg im Oktober. Kurz zuvor hatte der DFB noch Horst Hrubesch als Zwischenlösung präsentiert, bis sich die Bundestrainerin wieder erholt habe.
Doch das Tischtuch war zu diesem Zeitpunkt offenbar schon zerschnitten. Die Kommunikation zwischen den Parteien soll nur noch über Anwälte geschehen sein, auch von der Mannschaft hatte sich Voss-Tecklenburg entfernt. Dabei stand auf dem Platz noch einiges auf dem Spiel: Im September hatte die DFB-Auswahl unter Britta Carlson gegen Dänemark verloren und drohte nun, Olympia 2024 in Paris zu verpassen.
Auf der letzten Rille: Olympia-Traum lebt
Unter Hrubesch stabilisierte sich das Team, siegte im Rückspiel gegen Dänemark mit 3:0 und erzitterte sich durch ein 0:0 in Wales die Teilnahme am Halbfinale der Nations League. Sollte sich das deutsche Team im Februar 2024 gegen Frankreich durchsetzen, hätte es das Ticket für Paris gezogen. Das wäre ein etwas verspätetes Happy End für ein eigentlich missratenes Jahr 2023.
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