Millionen Bahn-Reisende müssen sich vom heutigen Mittwochabend an auf zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen einstellen. Die Lokführergewerkschaft GDL kündigte einen bundesweiten Warnstreik an: Der Ausstand beginnt um 22 Uhr und dauert bis Donnerstag, 18 Uhr, wie die Gewerkschaft mitteilte. Sie will mit der Aktion ihren Tarifforderungen Nachdruck verleihen.
Betroffen sind der Fern-, Regional- und Güterverkehr. Aufgerufen sind dabei nicht nur Lokführer, sondern das gesamte Zugpersonal und auch Beschäftigte bei der Infrastruktur - also etwa Fahrdienstleiter in den Stellwerken. Ohne sie rollt kein Verkehr auf der Schiene. Dort ist die GDL allerdings nicht so gut organisiert wie die Konkurrenzgewerkschaft EVG. Dafür sind viele Lokführer Mitglied bei der GDL.
Bahn rechnet mit "massiven Auswirkungen"
Ob während des 20-Stunden-Streiks überhaupt noch ein Zug fährt, ist nicht sicher. Die Deutsche Bahn teilte mit, sie rechne mit "massiven Auswirkungen" auf den Bahnbetrieb. "Die DB wird so schnell und umfassend wie möglich informieren".
Nach eigenen Angaben hat die Bahn einen Notfallplan für den Fernverkehr aufgestellt. Das Angebot an Zugfahrten werde stark reduziert, dafür würden aber längere Züge eingesetzt, "um möglichst viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können". Dennoch könne eine Mitfahrt nicht garantiert werden, hieß es. Die Bahn bat alle Fahrgäste, "auf nicht unbedingt notwendige Reisen" zu verzichten oder ihre Reise zu verschieben. Die Tickets könnten zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden. Die Zugbindung sei aufgehoben. "Die Fahrkarte gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden", hieß es.
Den Zugverkehr wie bei den Warnstreiks der Konkurrenzgewerkschaft EVG komplett von sich aus zu stoppen, will die Bahn diesmal möglichst vermeiden.
Im Regionalverkehr sind auch in Bayern private Betreiber wie die Länderbahn, Go-Ahead, die Bayerische Regiobahn oder Agilis unterwegs. Die Beschäftigten dort sind nicht zum Warnstreik aufgerufen. Aber die Folgen der Aktionen könnten auch sie treffen.
Deutsche Bahn sagt geplante Verhandlungen ab
"Der Unmut der Beschäftigten ist groß, ihre Anliegen sind legitim", erklärte Gewerkschaftschef Claus Weselsky. "Wer glaubt, zulasten der Mitarbeiter zynisch auf Zeit spielen zu können, befindet sich im Irrtum. Jetzt ist die Zeit, Verbesserungen zu erzielen, das duldet keinen Aufschub!" Die Bahn sei bislang nicht bereit, auf Kernforderungen wie eine Arbeitszeitverkürzung einzugehen.
Am Mittwochnachmittag hat die Deutsche Bahn reagiert: Sie hat die zweite Tarifverhandlungsrunde in dieser Woche abgesagt. "Entweder man streikt oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht", sagte Personalvorstand Martin Seiler. Die für diesen Donnerstag und Freitag geplanten Gespräche fänden deshalb nicht statt.
Nach den ersten Verhandlungen hatten sich beide Seiten auf einen Fahrplan für die Tarifrunde geeinigt. Im Wochenrhythmus sollte weiterverhandelt werden. "Wer diese Verabredungen in dieser Gestalt bricht und kurzfristig zu Streiks aufruft und die Reisenden damit in Haftung nimmt, der kann nicht erwarten, dass wir weiter am Verhandlungstisch sitzen", sagte Seiler.
Pro Bahn: "Man hätte ruhig noch länger warten können"
Der Fahrgastverband Pro Bahn beklagt vor allem, dass der Warnstreik so kurzfristig angesetzt wurde. Im Interview mit dem BR sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß: "Man hätte ruhig noch ein bisschen länger warten können mit dem Streik. So schnell wäre es meiner Meinung nach auch nicht unbedingt notwendig gewesen."
Neuß erklärte, die Kurzfristigkeit ziele offensichtlich darauf ab, "dass der Notfallfahrplan nicht so gefahren werden kann, wie die Bahn das ursprünglich geplant hat". Er betonte, der Fahrgastverband stelle das Streikrecht nie in Frage. Man müsse aber eben auch berücksichtigen, dass der Fahrgast kein Tarifpartner sei und der Nahverkehr zur Daseinsvorsorge gehöre.
Das fordert die Lokführergewerkschaft GDL
Schon vor und nach der ersten Verhandlungsrunde in der vorigen Woche hatte es Signale gegeben, dass es letztlich zu einem Arbeitskampf der GDL kommen werde. Der bisherige Tarifvertrag mit der Gewerkschaft ist Ende Oktober ausgelaufen. GDL-Chef Weselsky hatte angedeutet, dass er eine Tarifrunde ohne Streiks für wenig wahrscheinlich hält.
Die GDL verlangt unter anderem 555 Euro monatlich mehr. Zudem soll die Arbeitszeit für Schichtarbeiter ohne Lohnkürzung auf 35 von 38 Stunden die Woche gesenkt werden. Außerdem wird einmalig die steuerfreie Inflationsprämie von 3.000 Euro gefordert. Die Laufzeit soll zwölf Monate nicht übersteigen.
Die Bahn hält eine Arbeitszeitreduzierung für nicht realisierbar und lehnt bisher jede Verhandlung darüber ab. DB-Personalvorstand Seiler bot stattdessen in der ersten Verhandlungsrunde eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten an. Auch zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zeigte er sich bereit. "Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend", war Weselskys Kommentar zum Arbeitgeberangebot.
Auch Angestellte anderer Unternehmen zum Warnstreik aufgerufen
Die GDL ist die kleinere von zwei Gewerkschaften bei der Bahn, sie hat aber vor allem durch die vielen Lokführer in ihren Reihen die Möglichkeit, den Bahnverkehr empfindlich zu stören. Die Bahn wendet die Tarifverträge der GDL bisher in 18 von rund 300 Betrieben an und betont, von den nun begonnenen Tarifverhandlungen seien lediglich rund 10.000 Bahnbeschäftigte betroffen. Zum Vergleich: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG handelte im Frühjahr und Sommer neue Tarifverträge für gut 180.000 DB-Beschäftigte aus.
Der Aufruf zum Warnstreik der GDL richtet sich nicht nur an Beschäftigte der Deutsche Bahn, sondern auch an Angestellte anderer Unternehmen, mit denen die Gewerkschaft derzeit über neue Tarifverträge verhandelt. Die Deutsche Bahn ist aber in Deutschland das mit Abstand größte Eisenbahnunternehmen - der bundeseigene Konzern steht daher beim Warnstreik im Fokus.
Mit Informationen von Reuters und AFP
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