Winterlandschaft mit Hütte in den Allgäuer Bergen.
Bildrechte: BR/Julia Müller
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Weil viele Menschen Sehnsucht nach Winter und Schnee haben, kommen sie gerne ins Allgäu.

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Allgäu hält trotz Klimawandel am Wintertourismus fest

Allgäu hält trotz Klimawandel am Wintertourismus fest

Viel zu warme und schneearme Winter: Der Klimawandel ist eine Herausforderung für viele Urlaubsorte. Warum die Allgäuer in den nächsten Jahren trotzdem am Wintertourismus festhalten wollen, das erklärt ein Zehn-Punkte-Papier.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Zurzeit laufen an der Alpspitzbahn in Nesselwang noch die Revisionsarbeiten: Die Mitarbeitenden nehmen dafür die ganze Bergbahn auseinander, überprüfen unzählige Seilrollen und tauschen sie aus, wo es nötig ist. Außerdem checken sie die Stahlseile. Bis Mitte Dezember muss alles kontrolliert sein. Dann soll der Winterbetrieb starten. "Der Winterbetrieb ist bei uns alternativlos, wir werden in 20 bis 30 Jahren hier auch noch Skifahren", sagt Ralf Speck, Geschäftsführer der Alpspitzbahn.

Vor allem höhere Lagen noch lange schneesicher

Mit dieser Meinung steht er nicht allein da: Gemeinsam mit anderen Seilbahn-Kollegen, Touristikern, Politikern und Hoteliers aus der Region hat er ein Zehn-Punkte-Papier entwickelt. Die Kernbotschaft lautet: Trotz des Klimawandels hält das Allgäu am Wintertourismus fest. "Wir werden jetzt nicht den Hebel umlegen und sagen von heute auf morgen, es gibt keinen Winter mehr. Bis dahin wird es sicher noch mindestens 20 Jahre andauern", sagt Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH.

Die Region soll deshalb weiterhin ein touristisches Ziel mit zwei Saisons bleiben. Den voranschreitenden Klimawandel stellen die Akteure nicht infrage. Sie sind aber überzeugt, dass vor allem höhere Lagen in den nächsten Jahren und sogar Jahrzehnten noch schneesicher sein werden.

Schnee hat besondere Bedeutung für Menschen

Das Zehn-Punkte-Papier lässt dem Schnee eine ganz besondere Bedeutung zukommen: Er sei ein "unersetzbares Erlebnisgut", nach dem sich die Menschen sehnen. Außerdem werde Schnee innerhalb Deutschlands immer seltener und für die Region so zunehmend zum "Alleinstellungsmerkmal".

Wintertourismus rentiert sich noch

Wintertourismus ist darüber hinaus profitabel: Immer noch wird die Hälfte der touristischen Wertschöpfung im Allgäu in der kalten Jahreszeit erzeugt. In Zahlen ausgedrückt sind das 1,8 Milliarden Euro (Stand 2019). Und das, obwohl laut Allgäu GmbH das Winterhalbjahr weniger Übernachtungen als das Sommerhalbjahr verzeichnet – nämlich 36 Prozent im Vergleich zu 64 Prozent.

Die Gäste lassen im Winter allerdings mehr Geld da: zum Beispiel durch den Erwerb beziehungsweise das Mieten von Winterausrüstung oder den Kauf von Skitickets. Die Gäste sichern vielen Einheimischen die Arbeitsplätze: Allein die Alpspitzbahn hat rund 90 Beschäftigte.

Studien der Deutschen Sporthochschule in Köln zeigen aber auch, dass immer weniger Menschen Wintersport betreiben und somit die Zahl der Skifahrenden sinkt. Trotzdem ist Alpin-Skifahren nach wie vor beliebt: Dieses Jahr zum Beispiel ist die Nachfrage nach Saison-Skipässen so groß wie selten, sagt Joachim. Obwohl die Preise für Skipässe wieder gestiegen sind.

Schneekanonen für gute Pisten

Da aufgrund des Klimawandels auch die Tage mit Naturschnee weniger werden, setzen die Skiliftbetreiber auf "technische Beschneiung", heißt es in dem Zehn-Punkte-Plan. "Die Beschneiung ist für uns ganz essenziell. Sie ist die Rückversicherung für einen sicheren und guten Skibetrieb - gerade in der Ferienzeit", erklärt Henrik Volpert, Vorsitzender der Allgäuer Bergbahn Initiative, den Einsatz der Schneekanonen. Die Alpspitzbahn hat dieses Jahr eine Reihe neuer Schnee-Erzeuger bekommen. Das Skigebiet will testen, ob die 30.000 Euro-Maschinen durch ihre neue Technologie effizienter arbeiten als ihre Vorgänger. Ralf Speck geht davon aus, dass sie deutlich weniger Strom benötigen und mehr Ertrag liefern: "Sie bringen also mehr Schnee in kürzerer Zeit", sagt er.

Ganzjahresangebote ausbauen

Immer wichtiger werden im Allgäu auch die Nicht-Skifahrer. Um allen Zielgruppen ein ansprechendes Wintererlebnis bieten zu können, müssen zum Beispiel Seilbahnbetriebe noch flexibler werden und ihr vom Schnee unabhängiges Angebot ausbauen. Laut Henrik Volpert können schon jetzt viele Betriebe innerhalb kurzer Zeit von Winter- auf Sommerbetrieb umstellen.

Außerdem sollen zum Beispiel Themenwanderwege oder Kletterwälder zu jeder Jahreszeit genutzt werden können. In Nesselwang wurde vor zwei Jahren die alte Sommerrodelbahn abgerissen. Jetzt steht dort der sogenannte Alpspitzcoaster. Hier kann man immer rodeln, außer es gewittert.

Region weiter nachhaltig voranbringen

Zusätzlich wollen die Verantwortlichen der Tourismusbranche die Region weiterhin nachhaltig entwickeln. Für den Fall, dass der Schnee mittel- bzw. langfristig ganz ausbleibt, wollen sie Anpassungsstrategien ausarbeiten. Ziel ist, dass das Allgäu auch künftig eine Ganzjahresdestination bleibt.

Touristikpartner sollen laut dem Zehn-Punkte-Papier zum Beispiel Ökostrom verwenden oder die Lebensmittel und Handwerkerleistungen in der Region einkaufen. Schon jetzt seien mehr als 100 Kommunen und Unternehmen Teil des Bündnisses "Klimaneutrales Allgäu 2030". Für den bevorstehenden Winter wünscht sich Bernhard Joachim von der Allgäu GmbH: "Ausreichend Schnee, aber auch den Respekt von uns allen, die wir hier im Wintertourismus tätig sind, für das was noch kommen wird in den nächsten Jahren."

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