Bodenmais in Niederbayern: Hier hat Bürgermeister Joli Haller ein Neubaugebiet erschlossen. 17 Parzellen, sonnige Lage. Die Nachfrage war groß, als er die Grundstücke vor drei Jahren auf den Markt brachte – über 60 Bewerbungen trudelten ein. Doch dann stiegen die Zinsen und für viele Kaufinteressenten platzte der Traum vom Eigenheim.
Joli Haller musste eine Reservierung nach der anderen stornieren: "Viele Bauwerber waren dann doch überrascht, als sie mit den Baufirmen die Verhandlungen geführt haben, was der Bau des Traumhauses kostet", erinnert sich der Bürgermeister. Denn die Nullzins-Politik war beendet – die Zinsen stiegen, ebenso die Material- und Baukosten. "Das machte das Bauen dann für die eine oder andere Familie doch nicht mehr möglich", bedauert der Bürgermeister. In der Folge musste Joli Haller noch weitere Ausschreibungsrunden starten.
Noch immer sind erst zwei Häuser gebaut und vier Parzellen weiterhin unverkauft. Der Bürgermeister will bald eine weitere Ausschreibungsrunde starten. Jetzt ist er optimistisch. Denn in die Baubranche komme Bewegung: "Es kommt jetzt auch wieder mehr Wettbewerb in der Baubranche, es kommen wieder mehr Angebote, die haben zum Teil Kampfpreise."
Schlechte Stimmung in der Baubranche
Laut der jüngsten Untersuchung des Ifo-Instituts ist die Stimmung in der Baubranche schlecht. Das Geschäftsklima ist aktuell auf minus 56,8 Punkte gefallen – auf den schlechtesten Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. Ein rapider Abfall. Denn während der Niedrigzins-Politik waren die Bauunternehmen mehr als ausgelastet; durch den Bauboom wussten sie gar nicht, "wie sie die ganzen Aufträge abarbeiten sollten", sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturprognosen des Ifo-Instituts. Durch die Zinswende habe sich das gravierend verändert.
"Wir hatten eine Stornierungswelle, die durch das Land gerauscht ist. Und die steigenden Zinsen bis ins letzte Jahr hinein haben die Finanzierung der teuren Bauprojekte noch einmal verteuert. Das hat viele Käufer abgeschreckt." Timo Wollmershäuser, Ifo-Institut
Bauzinsen sinken in 2024
Doch nun sinken die Zinsen wieder. Für einen Baufinanzierungskredit mit zehnjähriger Laufzeit zum Beispiel ist der durchschnittliche Zinssatz laut Immobilienfinanzierer Interhyp seit Anfang November 2023 von 4,23 Prozent auf aktuell 3,45 Prozent gesunken. Ein Rückgang von fast 0,8 Prozentpunkten.
Grafik: Leitzins und Baudarlehen seit 2013
Für den Vorstandsvorsitzenden der Interhyp, Jörg Utecht, tut sich deshalb gerade ein Zeitfenster auf: "Wir kommen von Zinsniveaus weit über vier Prozent. Das bedeutet, dass wir über die Laufzeit eines Darlehens erhebliche Beträge sparen können, zum Teil mehrere Zehntausend Euro."
Gutes Zeitfenster für den Kauf einer Immobilie
Viele Kreditvermittler preisen schon jetzt die Erwartung auf weiter fallende Zinsen ein. Denn der Leitzins der Europäischen Zentralbank könnte bald wieder sinken, so die Prognose von Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut: "Die Zinswende wird kommen, die Europäische Zentralbank, denke ich, wird im Laufe des Jahres – vermutlich im Frühsommer – den ersten Zinsschritt nach unten beschließen, das wird von der Finanzierungsseite weiter entlasten." Und das könnte dann auch die Bauzinsen weiter sinken lassen.
Weiterer Vorteil: Hohe Verfügbarkeit von Immobilien
Käuferinnen und Käufer könnten zudem noch von der hohen Verfügbarkeit auf dem Markt profitieren, so Jörg Utecht vom Baufinanzierer Interhyp. Denn das Angebot an Objekten in den Portalen hat sich in Bayern laut der Statistik des Tochterunternehmens ThinkImmo, einer plattformübergreifenden Immobiliensuchmaschine, mehr als verdreifacht: Waren im Jahr 2022 noch gut 20.000 Wohnungen und Häuser auf dem Käufermarkt, sind es nun gut 70.000. Die hohe Verfügbarkeit sorge für eine sehr gute Verhandlungsposition, so Utecht.
"Wir erkennen, dass sich am Immobilienmarkt ein günstiges Zeitfenster aufgetan hat, in dem sich durchaus das ein oder andere Schnäppchen machen lässt. Die Zinsen sind zurückgegangen und die Objektpreise haben flächendeckend noch nicht wieder angezogen." Jörg Utecht, Interhyp
Baukosten sind weiterhin hoch
Doch für die Bauherren von Bürgermeister Joli Haller in Bodenmais bleibt ein Problem bestehen: die weiterhin hohen Baupreise. So sieht das auch Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut. Die Materialkosten seien nach wie vor teuer, das schrecke ab: "Da müssen die Zinsen schon noch weiter sinken, damit es attraktiv wird für die Bauherren, sich zu verschulden und ein Haus zu bauen." Zwar seien auch die Einkommen gestiegen, doch trotz sinkender Zinsen reiche das noch nicht, "um eine Trendwende in der Baukonjunktur auszurufen".
Im Frühjahr möchte Joli Haller die vier unverkauften Parzellen neu ausschreiben. Er hofft, dass nach der von der Gemeinde entwickelten Punktevergabe viele Einheimische zum Zug kommen werden und von den gesunkenen Zinsen profitieren können. Drei Jahre haben die Käuferinnen und Käufer dann Zeit, bis der Bau beginnen soll. Bis dahin gilt es, den richtigen Riecher zu haben – rechtzeitig von der aktuell guten Verfügbarkeit von Handwerkern und Bauunternehmen zu profitieren und von möglicherweise noch weiter fallenden Zinsen.
Zum Abendschau-Video: Ist 2024 ein gutes Jahr für Immobilien?
Dieser Artikel ist erstmals am 26. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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